: Gegen den Strom
■ Keine sozialdemokratische Morgenröte in Irland
Überall sind die Sozialdemokraten auf dem Vormarsch. Nur in Irland nicht. Während Tony Blair auf der Nachbarinsel mit einem Paukenschlag an die Macht kommt, geht die irische Schwesterpartei mit ähnlichem Getöse unter. Irland-Labours Stimmenanteil von knapp zwanzig Prozent wurde bei den Wahlen am Freitag nahezu halbiert. Wahlgewinner war Fianna Fáil, die Soldaten des Schicksals, die in Brüssel in der Fraktion der Konservativen sitzen. Und die ebenso konservative bisherige Regierungspartei Fine Gael konnte ebenfalls um drei Prozent zulegen, auch wenn sie wegen des schlechten Abschneidens des Labour-Koalitionspartners künftig auf den Oppositionsbänken Platz nehmen muß.
Ein Rechtsruck ist das nicht, irische Politik läßt sich nicht mit Links-rechts- Schemata begreifen. Gerade in den ländlichen Gegenden sind die politischen Sympathien ganzer Familien im Bürgerkrieg vor einem dreiviertel Jahrhundert vergeben und seitdem vererbt worden. Irische Politik ist vor allem Lokalpolitik, und dabei zählt, wer sich im Parlament für die Belange seines Wahlkreises einsetzt.
Die Labour-Kandidaten haben verloren, weil sie nicht in ihren Wahlkreisen verankert sind. Die Verdoppelung der Stimmen bei den vorigen Wahlen verdankte Labour keineswegs der soliden Basisarbeit, sondern vor allem der Rhetorik ihres Parteichefs Dick Spring von der Oppositionsbank aus. Zwar hat er als Außenminister viele soziale Versprechen eingelöst, aber in der Erinnerung der Wähler ist die Vetternwirtschaft und undurchsichtige Parteifinanzierung hängengeblieben.
Hinzu kommt, daß Spring von vielen für das Scheitern des nordirischen Friedensprozesses verantwortlich gemacht wird, weil er mitten in der Legislaturperiode die Pferde gewechselt hat: Der Fianna-Fáil-Premierminister hatte mit seiner nationalistischen Politik einen Waffenstillstand herbeigeführt, der Fine-Gael-Nachfolger hat ihn mit seinem probritischen Gebaren verspielt. Wer nun allerdings auf einen erneuten Anlauf von Fianna Fáils Bertie Ahern in Sachen Frieden hofft, wird ebenso enttäuscht werden wie von Tony Blair in dieser Sache: Beide Parteichefs haben vor kurzem deutlich unionistischere Töne angeschlagen als ihre Vorgänger, von denen man das erwartet hätte. Ralf Sotscheck
Bericht Seite 8
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