piwik no script img

Durchsuchung „interim“

■ Betroffene: Diskussionsforum der radikalen Linken soll verboten werden

Berlin (taz) – Als „Angriff auf die Pressefreiheit“ bezeichneten gestern Bewohner von mehreren Berliner Wohnprojekten die großangelegte Polizeidurchsuchung am Mittwoch, die mit der „Billigung und Belohnung von Straftaten“ begründet wurde. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft, in diesen Häusern befänden sich Redaktionsräume der Autonomenzeitung interim, sei „völlig absurd“. Die Wochenzeitung bestehe aus Beiträgen, die über eine Postadresse eingingen. Nach Angaben der Betroffenen wurden mehrere Computer, Tausende Disketten und diverse Druckmaterialien beschlagnahmt. Ein „Vermessungstrupp“ habe ein gesamtes Fabrikgebäude vermessen. Oftmals sei verhindert worden, daß Nichtpolizeiangehörige als Zeugen zugegen sein konnten. „Wir müssen davon ausgehen“, so ein Betroffener, „daß uns Fundstücke präsentiert wurden, die nicht bei uns gefunden wurden.“ Die Durchsuchung sei ein Versuch von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), das „Diskussionsforum für das gesamte Spektrum der radikalen, autonomen Linken“ zu verbieten. Von den zwölf Personen, die als interim- Hersteller verdächtigt werden, wurden acht angetroffen und erkennungsdienstlich behandelt.

Die Staatsanwaltschaft wertete die Aktion, an der mindestens 500 Polizisten und sechs Staatsanwälte beteiligt waren und 700 gedruckte und 200 in der Fertigstellung befindliche Exemplare beschlagnahmt wurden, als „Erfolg“. Der bisherige Erkenntnisstand habe ergeben, so Justizsprecher Rüdiger Reiff, daß sich in einem Wohnprojekt in Kreuzberg ein „Redaktionsraum der Untergrundzeitung“ befände. Die im Impressum angegebene Person und die Postadresse entsprächen nicht den „tatsächlichen Verhältnissen“.

Die Staatsanwaltschaft irrt in der Annahme, alle Ausgaben der aktuellen Nummer beschlagnahmt zu haben. Nach Informationen der taz wurden am Mittwoch abend 250 Exemplare im Postvertrieb ausgeliefert. Gestern wurden 2.000 Exemplare nachgedruckt. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen