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Wenn der Senator interpretiert

Anhängliche Aufenthaltserlaubnis: aus Protest gegen das Ausländerrecht nicht beantragt, vom Innensenator hinterhergeschmissen  ■ Von Elke Spanner

Greift Hamburgs Innensenator höchstselbst zur Feder, dann wird aus dem restriktiven Ausländergesetz plötzlich eine Spielwiese aufenthaltsrechtlicher Möglichkeiten. Der Türke Tekin Sengül bekommt eine Aufenthaltserlaubnis, die er gar nicht will. Ohne daß er einen Antrag gestellt hätte, gestand Innensenator Hartmuth Wrocklage Tekin Sengül nun das Papier zu. Der lehnte postwendend ab.

Der 29jährige Sengül lebt seit 25 Jahren in Deutschland und hat bisher brav seine Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen – mit schriftlichem Antrag, der Beibringung zahlreicher Unterlagen und dem regelmäßigen Schlangestehen vor der Ausländerbehörde. In diesem Jahr reichte ein ablehnender Satz in einem schlichten Brief: „Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich keinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis in Ihrer Behörde stellen werde.“Eine klare Aussage – doch Innensenator Wrocklage boykottierte den Boykott: „Dennoch werten wir dieses Schreiben als – formlosen – schriftlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis“, teilte er ihm in einem persönlichen Brief mit.

Verwunderung darüber kann der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal, nicht verstehen. Schließlich habe Sengül geschrieben, daß er den Antrag wegen der unzumutbaren Zustände nicht in der Ausländerbehörde stellen wolle. Also nicht dort, vor Ort, las Smekal heraus und interpretierte hinein: ansonsten aber schon.

So aber wollte Sengül sich nicht verstanden wissen. Ihm geht es ums Prinzip. „Ich finde es falsch“, schrieb er an Wrocklage, „wenn es für Ausländer wie mich – die der zweiten oder dritten Generation aus Gastarbeiterfamilien – gesetzliche Regelungen gibt, welche eine Ausweisung zur Folge haben können.“Ihm stinkt es, daß er sich sein Recht, in Deutschland zu leben, jedes Jahr aufs neue verbriefen lassen muß.

Sengül gründete nun das „Hamburger Forum für Gleichberechtigung“, für das er breite Unterstützung fand: Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Hakki Keskin unterstützt ihn, ebenso Anna Bruns von der GAL, der Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, Helmut Frenz, der Journalist Kemal Dogan, der Schauspieler Rolf Becker und einige mehr.

Mit seinem Forum will Sengül andere MigrantInnen zwar zum Aufbegehren „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ermuntern – nicht aber unbedingt zum eigenen Boykott. „Die Verantwortung für andere kann ich nicht allein übernehmen“, weiß er. Auch Unterstützer Rolf Becker, Schauspieler und IG-Medien-Aktivist, will niemanden zu „moralischen Leistungen, die sie teuer bezahlen müssen“, anhalten. Anna Bruns teilt die Bedenken, sichert aber allen, die es Sengül gleichtun, ihre volle Unterstützung zu.

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