Beachtliche Opposition

■ betr.: „Die Mehrheit am Buffet ab holen“, taz vom 31. 5./1. 6. 97

Ökolumne: Die Rubrik macht ihrem Namen keine Ehre. Was ist an dem Verriß kritischer Aktionärstätigkeit von Klingelschmitt „Öko“? Die dort erteilten Ratschläge (Aktionäre am Buttet abholen, mehr sachliche Argumentation etc.) klingen kaum anders, als wenn Bayer-Vorstandsboß Schneider uns Kritischen AktionärInnen vorwirft, wir brächten immer dieselbe Agitation.

In diesem Jahr redeten 15 kompetente VertreterInnen bekannter Organisationen und Parteien zu (nur) 15 Mißständen des globalen Bayer-Konzerns in aller Welt. Etwa Hermann Keßler (Bündnis 90/Grüne) zum Umbau der chemischen Industrie oder Uie-Liang Liou zu Protesten gegen eine TDI- Anlage in Taiwan. Siebo Janssen (amnesty international) geißelte die schlechten Arbeitsbedingungen bei Bayer-Zulieferfirmen in Indonesien, und Dr. J.-C. Kingreen („terre des hommes“-Ärzteinitiative) kritisierte die hemmungslose Vermarktung des mitunter todbringenden Aspirin Paraninos. Gregor Bornes (GenEthisches Netzwerk) schließlich stellte Fragen zu Gentechnik und Agrobusineß, und Dr. Stefan Lanka (Arzt) berichtete über Spätfolgen von Antibiotika und Resistenzbildungen. Auch noch mehr intellektuelle Anstrengung, wie Klingelschmitt sie fordert, dürfte einen Konzern, der sich nicht scheut, einem über 80jährigen Auschwitzüberlebenden kaltschnäuzig das Mikrophon abzustellen oder den Autor dieser Zeilen mit brutaler Werkschutzgewalt aus dem Saal zu entfernen, nicht überzeugen.

Den oberlehrerhaften Ausführungen von Klaus-Peter Klingelschmitt entnehme ich, daß er sich offensichtlich nie die Mühe gemacht hat, einer Bayer-Hauptversammlung einmal die Ehre seines Besuches zu geben. Seine Kollegin, Wiebke Rögener, indes hat der taz einen spannenden Bericht über das diesjährige Spektakel angeboten. Die taz lehnte ab: kein Interesse. Der Artikel erscheint nun in unserem Informationsdienst „Stichwort Bayer“ (Probeheft unter Tel. 0211/333911). Und andere Medien trauen sich nicht, über den bald 20jährigen weltweiten Kampf Kritischer Bayer-AktionärInnen zu berichten. Die (durch Akkredition handverlesenen) Wirtschaftsjournalisten auf der Bayer-Hauptversammlung schrauben doch nicht etwa deshalb bei den Reden der Kritischen ihren Füllfederhalter zu, weil sie die Beiträge nicht interessieren! (Zum Buffet eilen sie schon gar nicht, wie Klingelschmitt unterstellt.) Nein, sie dürfen nicht über die unbequemen Querulanten, die jahrein, jahraus über Menschenrechtsverletzungen, Umweltverseuchungen und Ausbeutung sprechen, schreiben. Denn Bayer und die Chemiepropagandavereine („Chemie im Dialog“) entziehen andernfalls umgehend Anzeigenaufträge in Millionenhöhe, wie eine Konzern-Attacke gegen den Stern und den Spiegel beweist. Wegen kritischer Berichterstattung wurden vor geraumer Zeit alle Inserate storniert. Originalton von Bayer: „Damit die Jungs in Hamburg mal sehen, wer das Sagen hat.“ So läuft publizistische Freiheit in diesem, unserem Lande.

Nicht auszudenken, wenn alle großen Zeitungen wahrheitsgemäß über die Stimmung auf der Bayer-Hauptversammlung schreiben würden! Das öffentliche Interesse an diesem heute schon größten Aktionärstreffen der ganzen Welt würde wohl noch weiter zunehmen. Ein Blick auf die diesjährigen Abstimmungsergebnisse zeigt, daß die Kritischen Bayer- AktionärInnen von den traditionellen Couponschneidern – anders als Klingelschmitt unterstellt – durchaus gelitten und ernst genommen werden. Immerhin: Bis zu 1,5 Mio. Aktien stimmten mit uns, und bis zu vier Mio. Aktien enthielten sich. Damit ergibt sich eine beachtliche Opposition von fast sechs Mio. Aktien. Laut Präsenzliste repräsentieren zirka 30 anwesende Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter von Banken und Versicherungen zirka 90 Prozent der anwesenden 356 Mio. Aktien! Da diese Banken und Versicherungen sicherlich nicht mit den KritikerInnen gestimmt haben, wie sie dies in wütenden Redebeiträgen mitunter auch kundgetan haben, muß die Unterstützung also aus den Reihen der übrigen zirka 7.000 anwesenden AktionärInnen erheblich gewesen sein; zumal, wenn mensch bedenkt, daß das durchschnittliche Depot zirka 2.500 Aktien umfaßt. Nicht einzelne, sondern mitunter mehrere 100 AktionärInnen überreichen uns – während am Rednerpult der gegen uns organisierte Verteufelungsfeldzug abläuft – ihre Stimmkarten. Hubert Ostendorf,

Vorstand der Coordination

gegen Bayer-Gefahren