■ Israel: Netanjahu ernennt einen neuen Finanzminister
: Ein Coup, kein Befreiungsschlag

Israels Ministerpräsident Netanjahu hat einen Coup gelandet. Die Ernennung von Jaakov Neman zum neuen Finanzminister wirft alle bisherigen Absprachen und Spekulationen in der rechten Koalitionsregierung über den Haufen. Ob diese Ernennung freilich ein Befreiungsschlag ist, steht auf einem anderen Blatt.

Seit drei Wochen feilschen die Koalitionsparteien nun um die Wiederbesetzung des Finanzministeriums. Der Schacher um Ministerposten und politischen Einfluß hat das Vertrauen in diese Regierung nicht eben gestärkt. Zuerst verspricht Netanjahu das Justizminsterium dem Exkriegshelden und antiarabischen Hardliner Ariel Scharon. Er sichert Scharon sogar zu, ihn ins „innere Kabinett“ aufzunehmen, das sogenannte „kitchenette“, in dem die wichtigsten Vorentscheidungen getroffen werden. Daraufhin revoltiert Außenminister Levy, der vor allem die Verhandlungsführung mit den Palästinensern als ureigenste Aufgabe seines Ressorts verstanden wissen will. Die Rücktrittsdrohung wirkt. Netanjahu gibt klein bei. Und setzt doch einen drauf. Er macht Jaakov Neman, den Exjustizminister und engen Vertrauten, der ihm nach seinem öffentlich eingestandenen Ehebruch im Jahre 1993 beratend zur Seite stand, zum neuen Finanzminister. Damit löst er gleichzeitig sein Versprechen ein, daß Neman ins Kabinett zurückkehren würde, sollte dieser die Untersuchung wegen Unterdrückung von Beweisen gegen den früheren Innenminister Arier Deri unbeschadet überstehen.

Doch der Spruch „Ein Mann, ein Wort“ mag auf Netanjahu nicht so recht zutreffen. Ariel Scharon muß sich düpiert fühlen. Und er ist weiß Gott nicht der Mann, der sich sang- und klanglos aufs Abstellgleis schieben läßt. Sein letztes Wort ist noch nicht gesprochen.

Netanjahu laviert und taktiert, in israelischen Augen durchaus mit Geschick. Aber sein Regierungskonzept besteht bisher im wesentlichen darin, sich selbst stets die letzte Entscheidung vorzubehalten. Eine derart heterogene Koalition aber bedürfte einer festen Absprache, der sich alle Partner verpflichtet fühlen. Die aber ist nicht in Sicht. Und dennoch – Netanjahu wird nicht leicht fallen. Solange sich die Koalitionsparteien von der Regierungsbeteiligung mehr Pfründen erhoffen können als von Neuwahlen, werden sie diese meiden wie der Teufel das Weihwasser. Und zwar alle, uneingeschränkt. Georg Baltissen