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Einigkeit und Recht und Prost

■ Ein lustiges Buch vom Gelingen: Klaus Modicks Roman „Der Mann im Mast“ ist eine sommerliche, angenehm leichthändige Etüde über Literatur und Leben

Ein deutscher Schriftsteller mittleren Alters, seine amerikanische Frau Stacy und die Töchter Miriam und Laura (zehn und acht Jahre) machen Urlaub in Bay Head, New Jersey. Sie wohnen am Atlantik in dem Holzhaus, das Stacy von ihrem seebärenhaften Onkel Alex geerbt hat. Die Familie genießt Strand, Meer und kleinere Ausflüge. Stacy flirtet ein bißchen mit dem blonden Strandwächter Dean, während der Schriftsteller hinter einer Fanny herträumt, dann jedoch im Zuge eines abkühlenden Discobesuchs für deren Vater gehalten wird. Die amourösen Irritationen halten sich in Grenzen, die Ehe ist gut.

Der Schriftsteller will zwei Wochen lang nur Tagebuch schreiben, bekommt aber ein paar Zeilen des kitschigen Seefahrergedichts „Nis Randers“ von Otto Ernst, das er als Schüler auswendig lernen mußte, nicht aus dem Kopf. Er beginnt einen Abenteuerroman über das, was das Poem verschweigt. Dazu verwandelt er eigene Erlebnisse in Bay Head dem späten 19. Jahrhundert an.

Der 1951 geborene Klaus Modick schließt mit „Der Mann im Mast“ an frühere Arbeiten an. Schon den stellungslosen Soziologen Kurt motivierten im hochkomischen „Ins Blaue“ (1985) teils erwünschte, teils befürchtete geschlechtliche Zwischenfälle zu einem Roman im Roman über sich und die Referendarin Trudi. Und wie jetzt Otto Ernsts Gedicht bringt in „Das Grau der Karolinen“ (1986) ein Bild die Handlung voran (eines der beiden gemalten roten Flugzeuge kommt in „Der Mann im Mast“ wieder vor).

Ähnlich wie schon „Ins Blaue“ ist das neue Buch schon durch seine Struktur eine Etüde zum Verhältnis von Literatur und Leben, eine demonstrative Praxis mit sichtbarem theoretischem Unterfutter. Schreiben über Schreiben ist sonst meistens öde; bei Modick ist es lustig und erotisch, weil es Schreiben übers Leben ist, zu dem eben das Schreiben gehört.

Außerdem weiß der Autor, daß man das Bedeutsame besser erträgt, wenn es ironisch konterkariert wird. Deshalb hat er seinen wortwerkenden Familienvater mit zwei spitzzüngigen Töchtern geschlagen.

Ferner schützt er sein (hohes! ernstes!) Lob der Literatur gegen störendes Pathos, indem er es auch von erfreulich inkompetenten Figuren vortragen läßt. In „Ins Blaue“ ist es der über Kunst ewig nur redende Nichtschreiber Feuerstein („Sprachnot. Ja. Aber volle Kanone...“), in „Der Mann im Mast“ der nicht weniger trinkfeste Spät-1848er Freiheitsdichter Lukas Domcik (haben Sie das Anagramm bemerkt?): „Einigkeit und Recht und Prost.“

Wunderbar genau beschreibt Modick immer wieder das Meer mit seinen Wellen, Farben und Horizonten. Diese Passagen könnten als Präzisionskunstwerke einfach für sich stehen, aber der Verfasser hat auch hier unaufdringlich eine zweite Bedeutungsebene eingezogen: Das Meer verkörpert die Ewigkeit, in der alles eins ist und in jedem einzelnen das Ganze enthalten. Schon die stille Novelle „Moos“ (1984), Modicks erstes literarisches Buch, war radikaler, als Greenpeace jemals sein kann.

„Der Mann im Mast“ ist, was es selten gibt: ein glaubwürdiges Buch vom Gelingen. Es zeigt Menschen, die mit der Liebe und der Arbeit zurechtkommen, und braucht dazu weder Illusionen noch Lügen. Und wie gesagt: Man muß oft lachen. Michael Schweizer

Klaus Modick: „Der Mann im Mast“. Roman. Schöffling Co., Frankfurt am Main 1997, 302 S., 39,80 DM

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