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Aus dem Vereinsleben unserer Windpocken Von Susanne Fischer

Falls mal wieder eine Vereinsgründung anstehen sollte, und niemand weiß, wofür oder wogegen, werde ich mich melden und meinen längst versammelten „Verein zur heimtückischen Ermordung von Aphoristikern e.V.“ in die erstaunte Welt entlassen. Ich bin sicher, daß ihm die Gemeinnützigkeit nicht versagt wird, denn pensionierte Studienräte, die meine Welt mit Sätzen traktieren wie „Mancher steht nur hinter einem, damit er einem besser in den Rücken fallen kann“ oder „Mancher fällt einem nur in den Rücken, weil er woanders nicht hinfallen kann (zu dick)“; solche Leute also würden garantiert niemandem fehlen, außer den 100jährigen Redakteuren der „bunten Seiten“ auf den Tageszeitungen, die den Auswurf dieser zerquälten Existenzen zum Druck befördern.

Da Aphoristiker glauben, ihre als Weisheiten verbreiteten Sätze hätten stets eine überraschende Wendung, müßten sie auch auf überraschende Weise umgebracht werden. Kleine Kobolde sollen aus ihren Suppentöpfen springen und sie mit Hutnadeln pieksen. Zylinder sollen ihnen über die Augen rutschen, damit sie gegen Laternenpfähle laufen. Aphorismen sollen sich ihnen um den Hals wickeln und sie mit Windpocken anstecken. Dazu ruft mein Verein im Chor „Das Schöne an Aphorismen ist, daß sie so kurz sind wie ein Aphoristikerleben!“ und kassiert eiskalt seine Steuervorteile. Großzügig spenden wir noch Grabsteine mit großherzigen Wahrheiten wie „Den Tod fürchtet nur, wer beim Sterben noch lebendig ist“, oder „Den Tod fürchtet nur, wer im Leben schon gestorben ist“, oder „Den Tod fürchtet nur, wer Eier ißt, weil du bist, was du ißt, und ein Meister aus Deutschland“. Vermutlich würden sich die meisten Aphoristiker in Schweigen hüllen, sobald die ersten Hutnadel-Kobolde auftauchen. Das wäre zwar ganz in meinem Sinne, denn ich bin eigentlich gegen Gewalt, aber man kann natürlich nie sicher sein, ob sie nicht bald Morgenluft schnuppern und sich wieder auf die Schnarchsackseiten der Zeitung hervortrauen, sobald ihr bißchen Angst verrauscht ist. „Ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun, sagte der General“, muß ich dann wieder lesen, bis ich Windpocken davon bekomme. „Für sicheres Blutvergießen stimmen immer nur Leute, deren Blut im sicheren Gießen geläutert wurde!“ werden sie mir entgegenschmettern, um mich zum Nachdenken anzuregen. Vielleicht notieren sie auch „Für Blutvergießen sind immer nur Leute, die aussehen, als würden sie noch nicht mal ihren Garten gießen, wahrscheinlich nicht mal im Traum“; und damit hätten sie sogar recht, aber es würde nicht so überzeugend klingen, und sie würden darüber selbst kaum nachdenken wollen.

Vielleicht ginge es ja auch ohne Hutnadeln ab, wenn man die Aphoristiker einfach nach Australien exportierte. Zu diesem Zweck könnte man einen Wettbewerb ausschreiben, damit man auch alle erwischt. Man verspricht einfach Prämien für die besten Aphorismen über Windpocken. „In der Windpocke zeigt sich die wahre Größe des menschlichen Lebens.“ „Wer kratzt, hat unrecht!“ „Pocken aus Wind vergehen geschwind wie das Leben als solches.“ „Wer rotgefleckt ist, soll nicht mit Fieberthermometern auf Aphoristiker schießen.“ „Ob drei, ob dreißig, kratze dich fleißig.“

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