Jan Ullrich macht Deutschland zum Radsportland

■ Der deutsche Telekomprofi gewinnt die zweite Pyrenäen-Etappe der Tour de France, steigt ins gelbe Trikot und vollzieht den Kapitänswechsel im Team Telekom

Berlin (taz) – Zehn Kilometer waren noch zu fahren, als Jan Ullrich aus dem Sattel stieg und bereits Sekunden später auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Eine Viertelstunde später hatte der deutsche Radprofi die gestrige 10. Etappe der Tour de France von Luchon nach Andorra (252,5 km) gewonnen. Der große Bernard Hinault, fünfmal Tour-Sieger, half dem jungen Mann in sein erstes gelbes Trikot. Ullrich führt in der Gesamtwertung vor dem Franzosen Richard Virenque (2.37 min zurück).

Damit ist klar: Die Bundesrepublik ist, zumindest bis auf weiteres, ein Radsportland. Ullrich (23) ist der neunte deutsche Spitzenreiter in der Tour-Geschichte. Doch noch nie war die Wahrscheinlichkeit so groß, daß ein Deutscher das Trikot auch bis nach Paris tragen könnte.

Ullrich (23) hat seine Kunst in der DDR gelernt, lebt nun am Kaiserstuhl und war im Vorjahr von Teamchef Walter Goodefroot behutsam in die Branche eingeführt worden. Der Mann, sagen Experten, sei ein „Jahrhunderttalent“. Das mag stimmen. Es war ein erstaunliches Stück, wie Ullrich den Berg hinauf schoß. Er hatte eben die Führung übernommen, als der Telekom-Wagen an seine Seite fuhr. Goodefroot schrie den Deutschen förmlich den Berg hinauf. Womit klar war: Der in den letzten Tagen vieldiskutierte Kapitänswechsel im Team Telekom hat sich zumindest bis auf weiteres vollzogen. Vorjahressieger Bjarne Riis (33) kam nicht mehr mit – und schließlich 3.22 Minuten hinter Ullrich als fünfter ins Ziel.

Es ist klar, daß die Tour nun zum Duell zwischen Ullrichs Team Telekom und Virenques Festina- Team reduziert ist. Auch der Spanier Abraham Olano (Banesto) verlor gestern 3.44 Minuten und liegt nun 4.35 hinter Ullrich. „Die größte Gefahr für Virenque ist Ullrich“, schrieb gestern Le Figaro. Heute ist es andersherum. Bernard Hinault hat sich längst festgelegt: „Ullrich gewinnt die Tour.“