: Handelskrieg droht
■ USA und EU streiten über Boeing
Berlin (taz) – Die US-Regierung erwägt, die Zahl der Flüge zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich einzuschränken, falls der EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert morgen die Übernahme des Flugzeugherstellers McDonnell Douglas durch Boeing verbietet. Insgesamt haben sechs Regierungsbehörden eine Liste von Vergeltungssanktionen vorbereitet. Das berichtet die britische Wirtschaftszeitung Financial Times in ihrer gestrigen Ausgabe.
Clintons Regierung hat sich mit Frankreich das einzige große EU- Mitgliedsland ausgesucht, mit dem die USA noch kein Flugabkommen geschlossen haben. Wenn Boeing nicht noch im letzten Moment Zugeständnisse an van Miert macht, wird er morgen wohl die Fusion verbieten. Boeing verweigert bislang den Dialog mit dem EU-Kommissar: Es seien keine Gespräche vorgesehen, erklärte gestern Boeings Europapräsident Jim Frank. Beste Voraussetzung für einen neuen transatlantischen Handelskrieg: nach Bananen und Hormonrindern zur Abwechslung mal wieder um Jumbos.
Boeing fühlt sich nur an die Entscheidung der US-Kartellaufsicht gebunden. Die gab bereits am 1. Juli ihr Okay. Doch van Miert fürchtet auch in Europa Wettbewerbsverzerrungen: Schließlich würde Boeing durch die Fusion seinen Weltanteil am zivilen Flugzeugmarkt von 64 auf 70 Prozent steigern. Auch in Europa ist Boeing mit gut 60 Prozent klarer Marktführer. Zwar wurde hier 1996 nur gut jedes fünfzigste Flugzeug bei McDonnell Douglas geordert; trotzdem stärkt die Übernahme Boeing entscheidend. Schließlich war McDonnell einst ein mächtiger Konkurrent, und da Passagierflugzeuge etwa 25 Jahre halten, ist noch immer jedes vierte von McDonnell. Weil Fluglinien über Wartungverträge stark an die Hersteller gebunden sind, kann Boeing nun zu Recht hoffen, die Folgebestellungen abzusahnen. Nach Einschätzung von van Miert hat Boeing nach der Fusion daher einen realen Marktanteil von 80 Prozent. Prompt gelang es denn auch Boeing, Exklusivverträge über zwanzig Jahre mit drei großen US-Fluglinien, Delta, Continental und American Airlines, abzuschließen – für die EU ein klarer Wettbewerbsverstoß.
Nach EU-Recht kann van Miert Boeing zu Bußgeldern in Höhe von zehn Prozent des Umsatzes verdonnern: Das wären 3,6 Milliarden Dollar. Eintreiben würde er sie bei den Boeing-Kunden in Europa, zum Beispiel über die Beschlagnahme von ausgelieferten Flugzeugen. Matthias Urbach
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