: Hausordnung gleich Rausordnung?
■ Arbeitslose Hamburger Seemänner fürchten, ihr Landdomizil zu verlieren
„Sehen Sie, was ich hier mache? Das ist verboten“, sagt Peter G. und schwenkt die Thermoskanne. „Ich trage eine Kaffeekanne in der Hand“, stellt er dann fest, und „daß also jemand Kaffee gekocht hat“. Das wird er jetzt auch tun, „wie ich es seit 30 Jahren hier mache“, ruft er noch und schreitet mit energischen Schritten den Gang hinab. Was im Seemannsheim am Krayenkamp verboten ist und was erlaubt, darüber belehrt ihn die neue Hausordnung. Und elektrische Geräte wie Kaffeemaschinen sind verboten.
Doch die neue Hausordnung gilt für den 58jährigen möglicherweise ohnehin nicht mehr lange. Denn sie besagt auch, daß man höchstens zwei Monate in dem Heim leben darf. Peter G. hat lange schon auf keinem Schiff mehr angeheuert. Bei ihm sind es bereits zwei Jahre.
Es herrscht ein frischer Wind im Seemannsheim, seit im Februar der neue Leiter Udo Weiss einen Vorgänger ablöste, der 27 Jahre lang das Haus führte. Davon kann auch Heinz C. ein Lied singen. In seinem Zimmer, „Zelle 407“, wie er selbst es nennt, sitzt er auf seinem Bett – ein Seemann „mit Leib und Seele, Fachidiot und sturmgeschädigt“. Die Stimmung irgendwo zwischen bedrückt und sich-selbst-ermutigend, schwärmt er: „Wir kennen uns hier doch alle. Man macht die Tür auf und fühlt sich geborgen.. Auch er fürchtet, sein Landdomizil zu verlieren. Hat er nicht die Zwei-Monats-Grenze schon um knappe vier Jahre überschritten? „Noch vor Weihnachten heißt es: und tschüs“ist er sich sicher und macht eine ausladende Handbewegung Richtung Tür.
Heimleiter Udo Weiss betont, daß er die alternden Seeleute nicht vor die Heimtür setzen will. „Wir brauchen nur die Rechtssicherheit, jemanden rausschmeißen zu können, wenn er sich danebenbenimmt“. Nur dann, beeilt er sich hinzuzufügen, werde von der Hausordnung Gebrauch gemacht. Die behauptet das Gegenteil: Wer länger als zwei Monate bleiben will, benötigt eine Sondererlaubnis.
Wer die nicht bekommt, der landet auf der Parkbank. Das weiß auch Weiss, ebenso, daß sich für das Schicksal ausrangierter Seeleute niemand in der Hansestadt verantwortlich fühlt. Und für viele ist das Heim am Krayenkamp mehr als eine Notzuflucht. „Ich muß hier unten an der Elbe bleiben“, sagt etwa Heinz C.„Ich brauche mein Michelgebimmel“. Elke Spanner
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen