: Israel unter Beschuß
Raketen auf den Norden des Landes abgefeuert. Hisbollah weist Verantwortung zurück ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Mehrere Katjuscha-Raketen sind gestern im Norden Israels eingeschlagen. Nach Meldungen des israelischen Rundfunks begann der Beschuß kurz nach dem Morgengrauen. Es ist das erste Mal seit mehr als 15 Monaten, daß zivile Ziele im Norden Galiläas wieder von Raketen getroffen wurden. Eine Rakete traf eine leere Synagoge in der Grenzstadt Kiryat Schmoneh. Ein israelischer Regierungssprecher bestätigte, daß drei Menschen durch Splitter leicht verletzt wurden. Die Raketen seien eindeutig vom Libanon aus abgeschossen worden, sagte er.
Demgegenüber erklärte ein Sprecher der schiitischen Hisbollah-Miliz in Beirut, seine Organisation habe mit dem Beschuß nichts zu tun. Die Einwohner von Kiryat Schmoneh verbrachten die Nacht zu gestern in Bunkern, nachdem die Hisbollah-Miliz tags zuvor Stellungen der israelischen Armee und der mit ihr verbündeten südlibanesischen Armee SLA mehrere Stunden mit Artillerie und Mörsern beschossen hatte. Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Jitzhak Mordechai landeten dabei einige Raketen auf israelischem Gebiet. Doch seien diese Raketen nicht gezielt auf Israel abgeschossen worden.
Bei den schweren Gefechten der vergangenen Tage wurden mindestens sechs libanesische Zivilisten und zwei SLA-Angehörige getötet. Auslöser war ein nächtlicher Angriff der israelischen Eliteeinheit Golani Anfang der Woche auf ein Militärquartier der Hisbollah bei Nabatiyeh, etwa fünf Kilometer außerhalb der von Israel gehaltenen Sicherheitszone. Dabei waren sechs Hisbollah-Kämpfer getötet worden. Bei der Beisetzung der Soldaten hatten Tausende Hisbollah-Anhänger in Beirut Vergeltung geschworen.
Auf diese Angriffe hatte die israelische Armee mit Luftangriffen und Artilleriebeschuß geantwortet. Dabei waren zwei libanesische Bauern getötet worden. Eine Frau und ihre zwei Kinder wurden in der Sicherheitszone durch eine Straßenbombe getötet, wie sie von der Hisbollah gegen israelische Patrouillen eingesetzt wird.
Israels Kommandeur der Nordfront, Generalmajor Amiram Levine, entschuldigte sich für den Tod der Bauern. Er äußerte die Vermutung, daß Hisbollah den Wagen der Familie mit dem Fahrzeug eines SLA-Offiziers verwechselt habe. Bei einem Besuch von Kiryat Schmoneh am Donnerstag sagte er, daß die israelische Armee eine Eskalation der Gefechte vermeiden wolle. Sollte Hisbollah aber das „Memorandum der Verständigung“ vom vergangenen April verletzen und den Norden Galiläas wahllos mit Raketen beschießen, werde die israelische Armee antworten. Beobachter schließen nicht aus, daß die israelische Armee nach dem Ende des Sabbats Hisbollah-Stellungen aus der Luft angreifen wird.
Seit der Operation „Früchte des Zorns“ im April 1996 sind Angriffe auf zivile Ziele laut einer mündlichen Vereinbarung zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee verboten. In dem 17tägigen Grenzkrieg waren mehr als 170 Libanesen getötet und mehrere Israelis verletzt worden. Die israelische Armee hatte dabei einen Uifil-Stützpunkt bei Kan'a bombardiert, in dem mehrere hundert Menschen Zuflucht gesucht hatten. 96 Libanesen starben. Das „Memorandum der Verständigung“ wird von den USA, Frankreich, Syrien, dem Libanon und Israel überwacht. Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen