: Lieber nackt baden gehen
■ Badeanzüge sind reine Chemie / Selbst Textilexperten wissen nicht genau, was in den Fasern und Farben steckt / Merkwürdige Entdeckungen
Im Jahre 1919 löste ein harmloses Foto Empörung aus. Es zeigt den ersten Präsidenten der Deutschen Republik, Friedrich Ebert, mit seinem Reichswehrminister, Gustav Noske. Die Herren stehen bis zum Knie im Wasser und lächeln in die Kamera. Die weiten Badehosen kleben an den schwammigen Körpern. Wie es damals üblich war, trugen sie Badehosen aus Baumwolle oder Wolle, die so weit und weiß wie lange Winterunterhosen waren.
Heute sind die Bademoden peppig-bunt, knackig-eng und aus elastischen Kunststoffen. Anders als Naturfasern saugen Synthetics kaum Wasser auf und sind somit keine Last beim Schwimmen.
Das Wohlbefinden hat seinen Preis: Um aus Kunststoff und Farbe das Endprodukt Badeanzug herzustellen, mischen die Firmen einen Chemikalien-Cocktail zusammen, der es in sich hat. ÖKO-TEST nahm 48 Badeanzüge und Badehosen für Kinder, Frauen und Männer unter die Lupe – und fand keinen einzigen empfehlenswerten.
In zwölf Badeanzügen fanden sich umwelt- und gesundheitsschädliche halogenorganische Substanzen, mit denen ganz bestimmte Farbnuancen erzielt werden können. Fast alle Produkte sind mit optischen Aufhellern ausgerüstet, die für strahlendes Weiß und leuchtende Farben sorgen sollen. Hinzu kommen krebserregende oder krebsverdächtige Amine sowie giftige und umweltschädliche Schwer- und Halbmetalle wie Chrom, Kupfer, Antimon und Zink.
Über die genaue Herkunft der Schadstoffe können Textilexperten nur spekulieren. Sicher ist, daß bestimmte Farbstoffe Kupfer und Chrom enthalten. Schwermetalle sorgen zum einen für eine gute Anhaftung der Farben an die Faser. Das ist bei Bademoden wichtig, die Sonne, Chlor- und Meerwasser aushalten sollen. Zum anderen dienen die Metalle als farbgebende Komponente.
Doch Metalle stecken auch in den Chemiefasern selbst. So wird Antimon bei der Herstellung von Polyester eingesetzt. Antimon fand man zudem in Polyamid-Schwimmsachen, obwohl alle Experten versichert hatten, daß für die Polyamid-Produktion Antimon überflüssig sei. Die Faserspezialisten spekulieren, daß die Badeanzüge falsch deklariert und in Wirklichkeit aus Polyester sind.
In fast allen Badeanzügen entdeckte man auch große Mengen Zink. In den meisten Produkten fanden die Tester über 2000 Milligramm Zink pro Kilogramm Stoff (mg/kg). Auch hier dürfte des Rätsels Lösung in der Faser liegen. Denn glänzende Chemiefasern werden oft mit Zinksulfid mattiert. Ob all diese Schwer- und Halbmetalle ein Risiko für Badefans sind, ist pauschal nicht zu sagen.
In den Labors wurde auch nach 22 gesundheitsschädlichen Aminen gefahndet. Dabei stieß man unter anderem auf die Substanzen 4,4'-Diaminodiphenylmethan, kurz MDA, und 2,4-Toluylendiamin, kurz TDA. Die beiden Amine können aus sogenannten Azofarbstoffen stammen sowie unter den drastischen Bedingungen des Labortests aus dem Kunststoff Elastan gelöst werden.
Das sei beim Schwimmen nicht tragisch, versichern Textilexperten. Denn die Amine seien fest in der Faser gebunden. Dr. Heinz-Dieter Winkeler vom Chemischen Untersuchungsamt Bielefeld sieht das anders. Durch den Kontakt mit Chlor- oder Meerwasser sowie durch intensive UV-Strahlung „kann man nicht ausschließen, daß die Schadstoffe freigesetzt werden“, so befürchtet der Wissenschaftler.
Vor dem ersten Tragen sollte man Schwimmsachen darum auf jeden Fall waschen. Oder das tun, wozu Ärzte schon vor 200 Jahren rieten: Sie empfahlen das Nacktbaden, weil andernfalls „der stärkende schnelle Reiz des Wassers auf die Haut“ verloren gehe. ÖTM
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