: Wahl als Fußballspiel
■ Große gegen Kleine: Parteien-Streit um Wahlrecht und Feierabendparlament
„Zwei Stimmen sind für die Wähler großer Parteien barer Unsinn.“ Jan Ehlers, Vize-Fraktionsvorsitzender der SPD, machte auf einer Diskussions-Veranstaltung zur Hamburger Verfassungsreform am Montag abend deutlich, worum es ihm eigentlich geht: Die Einführung des bei Bundestagswahlen praktizierten Zweistimmen-Wahlrechts bringt für die hiesige SPD keine Vorteile und ist deshalb für Hamburg weder gut noch brauchbar. Denn Ehlers befürchtet, daß durch das „Stimmensplitting“ kleinere Parteien profitieren könnten.
Deshalb hatten sich vergangenen Freitag im Verfassungsausschuß SPD und CDU zusammengetan und für eine bundesweit einmalige Absurdität gestimmt: Statt des bisherigen Einstimmen-Wahlrechts für Parteilisten, wollen die Großen eine Stimme nur für einen Direktkandidaten einführen. Damit hätte man den bedrohlich an der eigenen Wählerschaft knabbernden kleinen Parteien hübsch eins ausgewischt. Denn für GAL oder Statt Partei wäre es ungleich schwerer, in jedem der geplanten 50 bis 60 Hamburger Wahlkreise DirektkandidatInnen aufzustellen.
„Bis vor zehn Tagen habe ich gar nicht gewußt, daß so etwas möglich ist“, freut sich Ehlers. „Ich kann Ihnen nur raten, es in den nächsten zehn Tagen auch wieder zu vergessen!“, schnaubt hingegen Achim Reichert, Statt Partei-Fraktionsvorsitzender. Anderenfalls stehe die Kooperation zur Disposition.
Dabei ist die Idee mit der BürgerInnennähe gar nicht auf dem Mist der Hamburger Sozialdemokraten gewachsen. GAL und Statt Partei wollten über Direktmandate erreichen, daß das Engagement eines Abgeordneten an der Basis honoriert wird. „Der Wahlabend sollte so spannend sein wie ein Fußballspiel“, findet GALier Schmidt. Aber ein Einstimmen-Wahlrecht sei „die schleichende Einführung des Mehrheitswahlrechts.
Hitzige Uneinigkeit herrschte auch über die Abschaffung des Feierabendparlaments. Ehlers outete die abwesende CDU als politische Erpresser: Sie habe damit gedroht, bei der Abstimmung aus der Bürgerschaft auszuziehen – und sie damit beschlußunfähig zu machen –, wenn die Vereinbarkeit von Mandat und Berufstätigkeit nicht mehr gewährleistet sei. Silke Mertins
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