: Peitschenhiebe auf die Augen
■ Alster im Winter. Alster im Sommer: Der Hamburger Künstlerclub in der Kunsthalle
Hamburg ist schön. Davon war Hamburgs erster Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark überzeugt. „Wie satt und tief und glühend und geheimnisvoll ist die Natur Ihrer engsten Heimath“, schwärmt er 1891 in einem Brief an den Maler Ernst Eitner, „Wäre ich Maler und hätte dann auch noch das Glück, Hamburger zu sein, keine Macht der Welt brächte mich über die Grenzen des einzigen Gebietes in Deutschland, das einen im edelsten Sinn malerischen Charakter hat.“
Seine Hymnen an die Stadt wurden erhört. Mehrere junge Künstler, darunter auch Ernst Eitner, brachen ihre Ausbildungen an den Akademien in München, Berlin, Weimar und Karlsruhe ab, um zu ihrem Heimatort zurückzukehren. Dort schlossen sie sich im Herbst 1897 zum Hamburgischen Künstlerclub zusammen.
„Peitschenhiebe auf die Augen“, „Spinat mit Ei“, „Schmieralien und Farborgien“, kommentierten pikierte Zeitgenossen die ersten Ausstellungen der Künstlervereinigung. Eine erboste Bürgerin wurde handgreiflich und beschädigte ein Gemälde mit ihrem Regenschirm. Die Aufregung ist heute schwer nachzuvollziehen. In bunten Farben erzählen die Bilder zum Beispiel von dem einfachen Leben der Fischerfamilien in Finkenwerder. Enten schwimmen friedlich durch gelbgrünes Wasser. In den Wellen spiegelt sich ein Bauernhaus. Die Alster im Sommer. Die Alster im Winter. Die Motive fanden die Künstler bei Exkursionen in die Natur in Hamburg und Umgebung. Fast drei Jahrzehnte nach den französischen Impressionisten experimentierten sie mit Licht- und Schattenspielen. Eine späte Stil-Anleihe, die jedoch in Hamburg die erste Rezeption der Pariser Impressionisten in Deutschland mit sich brachte.
Hundert Jahre nach der Gründung präsentieren die Hamburger Kunsthalle und das Altonaer Museum eine umfangreiche Ausstellung zum Hamburgischen Künstlerclub. 65 Gemälde, die zwischen 1893 bis zur Auflösung der Künstlervereinigung im Jahre 1910 entstanden sind, werden in der Kunsthalle gezeigt. Die grafischen Arbeiten der Künstler hängen im Alto-naer Museum aus.
Ein „kritischer Rückblick“sollte die Ausstellung werden. Wo diese Auseinandersetzung statt gefunden haben soll, ist für den Besucher nicht ersichtlich. Zumindest zur umstrittenen Figur Lichtwarks hätte man noch einiges sagen können. Immerhin hat dieser mit seinen pädagogischen Eingriffen in die künstlerische Freiheit nicht unwesentlich zur Auflösung des Hamburgischen Künstlerclubs beigetragen.
Julia Lee
bis zum 19. Okt, Kunsthalle, Glockengießerwall, vom 17. Sept. bis 25. Jan. im Altonaer Museum, Museumsstr.23
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