Luxus hat keine Lobby

Grünbuch Hamburg: Der BUND bilanziert vier Jahre stadtstaatlicher Umweltpolitik und findet keinen Grund zum Jubeln  ■ Von Achim Fischer

„Die Natur hat im Senat keine Lobby. Sie spielt kein Geld ein, also ist sie Luxus“, kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in seinem sechsten „Grünbuch“. Die Organisation zieht darin eine Bilanz der Hamburger Umweltpolitik der vergangenen vier Jahre. „Daß dabei hauptsächlich diejenigen in die Kritik geraten, die Regierungsverantwortung tragen, liegt in der Natur der Sache“, erklärte gestern Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des Hamburger BUND. „Aber nicht in der Natur der Sache liegt es, daß Probleme verschleiert und unter den Tisch gekehrt werden.“Die Liste der Kritikpunkte ist lang, von der Altlastenpolitik über mangelnden Natur- und Landschaftsschutz bis zur Energie- und Verkehrspolitik.

Nur ein Beispiel: die landwirtschaftliche Nutzung der Spülfelder. Auf diesen Flächen – alleine 2,6 Quadratkilometer im Bezirk Harburg – wurde vor Jahrzehnten hoch belasteter Elbschlick abgekippt. Probleme mit Schwermetallrückständen im Boden und in den angebauten Nahrungsmitteln würden „systematisch heruntergespielt“, kritisiert der BUND. Entgegen offizieller Angaben des Bezirksamtes Harburg gingen die Bodenbelastungen mit Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber nicht zurück. So lägen die Belastungen der angebauten Pflanzen zum Teil um das Vierfache über den Richtwerten des früheren Bundesgesundheitsamtes.

„Die Werte lassen Böses vermuten“, so BUND-Geschäftsführer Braasch. Seine Organisation forderte deshalb eine Untersuchung aller Spülfelder, eine Übersicht über ihre Nutzung, eine systematische Kontrolle der angebauten Nutzpflanzen sowie „konsequente Nutzungsbeschränkungen bei nachgewiesener Belastung“.

Die Umweltschützer kritisieren auch die Altlastenpolitik der Umweltbehörde. Statt verseuchte Böden auszubaggern und zu entsorgen, würden die Chemie-Cocktails immer häufiger in der Erde belassen und mit Spundwänden und Betondeckel gegen eine Ausbreitung gesichert. Maren Jonseck-Ohrt, Altlasten-Expertin des BUND: „So sicher wie eine „gesicherte“Altlast ist auch, daß wir oder unsere Nachfahren mit diesen Flächen wieder Probleme bekommen werden.“Ihr Gegenvorschlag: Ein Altlastenfonds, finanziert von der öffentlichen Hand und von Firmen, die giftige Substanzen produzieren.

Weitere Forderungen des Umweltverbandes: Statt Transrapid, Elbvertiefung und zusätzliche Elbquerung solle sich die Stadt für besseren öffentlichen Nahverkehr und die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene einsetzen. In der Energiepolitik verlangt der Verband unter anderem eine stärkere Förderung von Wind- und Solarenergie.

Verärgert sind die Umweltschüter auch über städtische Versprechungen zur „Agenda 21“– dem Handlungsprogramm der UN-Umweltkonferenz von Rio. Die Städte werden darin aufgefordert, in einen „Dialog mit ihren Bürgern, öffentlichen Organisationen und der Privatwirtschaft“einzutreten. Bilanz des BUND: „Ein derartiger Dialog hat in Hamburg praktisch nicht stattgefunden.“