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Elektronische Bürgerrechtsbewegung

Auf der Internationalen Funkausstellung diskutieren DatenschützerInnen und ComputerexpertInnen über Datenschutz im Internet und warnen vor der Datensammelwut der Behörden  ■ Von Barbara Junge

Auch wenn ein Fragezeichen stehenbleibt; das Motto ist pessimistisch. „Das Internet – Ende des Datenschutzes?“ fragen sich am kommenden Montag bundesdeutsche und internationale DatenschutzexpertInnen auf der Internationalen Funkausstellung. Die Podiumsdiskussion, zu der der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka eingeladen hat, ist eine der wenigen Veranstaltungen auf der gigantischen Medienmesse, bei der es nicht nur um reine Verkaufsinteressen und platte Medieneuphorie geht.

Die Podiumsdiskussion wird so etwas wie ein Symposium gegen die staatliche Regelung von Verschlüsselungstechniken (Kryptographie) sein. Doch um Technikfeindlichkeit geht es den Datenschützern wahrlich nicht: Alexander Dix, Mitarbeiter beim Berliner Datenschutzbeauftragten, der die Diskussion am Montag moderieren wird, wehrt sich gegen dieses Image: „Vielleicht liegen auch für den Datenschutz neue Chancen im Internet“, so Dix, „deshalb ist es unser Anliegen, die Entwicklung, die das Netz mit sich bringt, aus der Sicht des Datenschutzes zu beleuchten.“

Die Zielrichtung der Veranstaltung indes ist klar, treffen doch auf dem Podium die prominentesten Verfechter der freien Verschlüsselung aufeinander. Zwar mußte Phil Zimmermann, der Guru aller VerschlüsselungsexpertInnen, Programmierer des weltweit verbreiteten Verschlüsselungsprogramms Pretty Good Privacy (PGP) und Vorkämpfer für die frei zugängliche Kryptographie, kurzfristig absagen. Doch ansonsten liest sich die Liste der Referenten programmatisch: Marc Rotenberg, Direktor des Electronic Privacy Enhancing Center, einer US-amerikanischen Organisation für Bürgerrechte im Netz, vertritt Phil Zimmermann und wird über die „Freiheitssicherung für den Netzbürger“ sprechen.

Alan Westlin, Herausgeber der US-amerikanischen Zeitschrift Privacy & Business, referiert zum Thema „Wie jeder seinen Datenschutz im Internet selbst regeln kann“, und der Schweizer Peter Heinzmann, Leiter des Technikums Rapperswil, beschäftigt sich mit der Frage „Das Internet – ein Datenschleppnetz?“.

Gemeinsam haben die ExpertInnen die Befürchtung, daß im Interesse der Sicherheitsbehörden der gläserne Mensch Wirklichkeit werden könnte. Angesichts der Debatte um die Kryptographie, wie sie in den USA stattgefunden hat, wollen sie verhindern, daß auch in der Bundesrepublik der Zugang und die Sicherheit von Verschlüsselungsmethoden reduziert werden könnte. In den USA fällt Zimmermanns PGP unter das Kriegswaffenkontrollgesetz und darf deshalb nicht exportiert werden; Zimmermann hatte deshalb sogar einen Prozeß am Hals. Darüber hinaus wollte die US-Regierung kryptographische Programme nur gestatten, wenn die Sicherheitsbehörden einen exklusiven Schlüssel zur allzeit möglichen Überwachung erhielten. Seit ein bis zwei Jahren sind solche Begehrlichkeiten auch in der Bundesrepublik immer mehr erwacht.

Über die Entwicklung in der Bundesrepublik wie in der Europäischen Union werden sich am Montag die elektronischen BürgerrechtlerInnen mit VertreterInnen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung streiten. Die Position von Alexander Dix dabei ist eindeutig: „Jeder Versuch der Sicherheitsbehörden, den Gesetzgeber zu restriktiven Regelungen zu bringen, muß scheitern.“ Der Effekt, so Dix, wäre eine enorme Bürokratisierung zur Überwachung jeglicher elektronischer Kommunikation, ohne wesentlichen Erfolg, denn die Möglichkeiten, verschlüsselte Nachrichten im Datenchaos zu verstecken, seien unendlich. „Statt dessen“, so Dix, „haben wir dann den Überwachungsstaat.“

Das Symposium „Das Internet – Ende des Datenschutzes“ findet am Montag, 1. September, ab 10 Uhr ganztägig im ICC, Raum 6, statt

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