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Auch ohne Hopp bloß gekämpft, nicht gespielt

■ Bitte keine Europapokal-Euphorie: Beim 0:2 bei AJ Auxerre wirkt der MSV Duisburg, als sei er mit dem Erreichen des UI-Cup-Finales bereits vollauf zufrieden

Auxerre (taz) – Beim Hinspiel an der Wedau hatte Altmeister Heribert Faßbender in der ARD die Nebelschwaden vom Fluß her aufsteigen sehen, die den Duisburger Torwart Thomas Gill während des Spiels zu zwingen schienen, Stollen gegen den rutschigen Boden aufziehen zu lassen. Wenn es je einen Bach dort gegeben hat, so ist er heute kanalisiert, und der Name erklärt sich aus einer Au mit niederrheinischen Weiden.

Es war nicht der einzige Lapsus an diesem Tag. Dem MSV waren auch einige unterlaufen, und so kam es, daß man mit einem mageren 0:0 im Gepäck in eine Turboprop-Maschine der österreichischen Rheintalflug hatte steigen müssen, um den fünften sommerlichen Ausflug in europäische Gefilde zu bewerkstelligen: UI-Cup- Finalrückspiel bei AJ Auxerre im Stadion mit Vereinssitz, neun Rasenplätzen und einer vorbildlichen Fußballschule.

Auxerre, eine Autostunde von Paris entfernt, leistet sich eine der ganz großen Fußballschmieden in Europa. Sechs von 1.500 Bewerbern werden jährlich angenommen und an europäisches Spitzenniveau herangeführt, immer unter gleichzeitiger Förderung der schulischen Leistungen jenseits des Fußballs. Ein Privatunternehmen, neben dem sich der Duisburger Bundesligaetat (18 Millionen Mark) bescheiden ausnimmt.

In Frankreich müssen seit 1971 alle Clubs der ersten und zweiten Liga eine Schule unterhalten. In den 80er Jahren erwies sich das als Erfolgsrezept für die Nationalmannschaft. Für Auxerre auch: Das Team spielt nach dem 2:0 über Duisburg zum 12. Mal in einem europäischen Wettbewerb.

Die französische Presse hatte wie stets den deutschen Realismus gefürchtet, und Mittelfeldkünstler Lamouchi behauptet, das Spiel würde in den Zweikämpfen entschieden. Solider und ordentlicher deutscher Durchschnitt gegen Technik und Kreativität auf europäischem Niveau? Dafür hatte Duisburg eigentlich zu Saisonbeginn spielerisch viel zu sehr überrascht. Und dennoch hatte Trainer Funkel beim Nachmittagskaffee die Männer an eher deutsche Qualitäten erinnert: „Kreativität ist nicht immer spielentscheidend.“ Der MSV spielte dann zwar mit zwei Stürmern, aber nicht auf Sieg. Auch ohne den Einsatz des Vorzeigearbeiters Hopp beschränkte sich die Elf aufs Kämpfen. Immerhin hielt man so eine Stunde lang das Spiel offen. Die Sturmabteilung freilich erspielte nichts Zwingendes. Der Ableger und Kreativstürmer Spies fand niemanden, da Duisburgs Offensive bei den AJ- Feinmechanikern um Goma gut aufgehoben waren. Es schien bisweilen, als trauten sich die Duisburger einfach nicht mehr zu, als hätten sie mit dem Erreichen des Finales ihre eigenen Ansprüche schon übertroffen.

Zwei, drei schwache MSV-Spieler, eine womögliche Fehlentscheidung des schwedischen Schiedsrichters Anders Frisk und der anschließende abgefälschte Freistoß des herausragenden Linksaußen Bernard Diomède entschieden die Partie nach einer Stunde. Bachirou Salou und seine Schnelligkeit kamen zu spät ins Spiel. Auxerre ist so gut besetzt, daß ein Stürmer von der Art des Torschützen unter Bindung von zwei Defensivkräften eigene Schwächen im Spielaufbau kompensiert.

Am bitteren Ende wurde der vielen Chancen und einer herausragenden ersten Halbzeit im Hinspiel gedacht: Nach dieser „Riesensache im UI-Cup“ (Spies) stehen sie nun europäisch mit nichts und in der Bundesliga mit vier Punkten und ganzen drei Toren (davon ein Freistoß und ein Elfmeter) in der Hand da. Zwar feierten die mitgereisten Fans treu ihre Helden, aber die Zahl von nur 9.000 Besuchern im ersten Finalspiel zeigt, daß Europapokal-Euphorie gar nie aufgekommen war. Bei drei französischen UI-Cup- Siegern und nunmehr zehn französischen Mannschaften in den europäischen Wettbewerben kommt demnächst wohl der Genuß gallischer Fußballkunst auch auf andere deutsche Teams zu. Claus Josten

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