: Schicke keinen zum Brötchenholen
■ Harry Rowohlt, der Hamburger Autor, Übersetzer, Poohrist und Romanfigur über Mullahs und den Tod in der Badewanne
taz: Herr Rowohlt, gleich nach dem Erscheinen Ihres neuen Buches „Pooh's Corner II“gibt es Schwierigkeiten mit den Rechten für E. H. Shepards Zeichnung von Pu auf dem Umschlag des Buches.
Harry Rowohlt: Und zwar mit der Anwaltskanzlei Brown-Cooper, die „The Pooh Heritage Trustees“oder sowas vertritt. Die Zeichnung von E. H. Shepard ist in der Zeit jahrelang immer unbeanstandet erschienen, weil diese Mullahs sie nicht bemerkt haben. Auf dem Umschlag von Pooh's Corner II ist sie im Gegensatz zur Zeit-Kolumne koloriert, und die denken jetzt, es gibt irgendwo 'ne Mark, die sie noch nicht haben.
Ihre Kolumnen sind mit „Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand“untertitelt. Sie äußern sich dort aber äußerst klug. Warum wählten Sie diese Formulierung?
Ulrich Greiner, der zehn Jahre das Zeit-Feuilleton geleitet hat, hat mich immer angenörgelt, daß ich 'ne Kolumne schreiben soll. Ich habe gesagt, was ich immer sage, ich kann das nicht, und dann ist mir irgendwann dieser Titel eingefallen: „Pooh's Corner – Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand“. Nach diesem schönen Titel schrieb sich die Kolumne eigentlich von selber weg. Und das ist auch nicht fish-ing for compliments, daß ich schreibe „von geringem Verstand“, sondern das ist bei mir leider tatsächlich der Fall. Ich bin kein sehr analytisch denkender Mensch. Das hat auch neulich der Tagesspiegel an mir gelobt: Daß ich Leute, die ich fertigmache, nie politisch fertigmache, sondern immer persönlich.
Was haben Sie in einer Ihrer Kolumnen damit gemeint, als Sie geschrieben haben: „Das letzte Mal, daß wildfremde Menschen für etwas, was ich richtig fand, die Knochen hingehalten haben, war das der sogenannte Vietcong?“
Seitdem schick ich nicht einmal mehr Leute zum Brötchenholen. Ich habe damit gemeint, daß ich ungern Sachen delegiere, die ich auch selber machen könnte. Wenn z. B. Cohn-Bendit für Bundeswehreinsätze in Ex-Jugoslawien ist, dann, find ich, kann er das gern sein, wenn er bereit ist, da selbst auch hinzugehen und ein bißchen im Gebüsch rumzuballern. Aber dazu ist er zu alt und zu fett, also soll er sich gefälligst zurückhalten und nicht andere Leute hinschicken.Wie Hindenburg.
Wie kam das, daß Sie einmal zu Ihrer eigenen Lesung hereingelassen wurden?
Dreimal hintereinander bin ich nicht ins Hamburger Literaturhaus gekommen. Ich sagte, ich soll hier heute abend... Nee, nee, das kann gar nicht sein, hier ist Dichterlesung, entgegnete man mir. Dann mußte ich jedesmal sagen: Kann mal vielleicht jemand den Veranstalter, Herrn Samtleben, holen? Der hat mich dann reingeschleust.
Hat sich das mittlerweile geändert?
Inzwischen, glaube ich, ja. Allerdings habe ich damals auch noch nicht als Penner in der Lindenstraße mitgespielt. Jetzt ist dadurch meine Nase natürlich viel bekannter. 9,4 Millionen Deutsche erkennen mich.
Werden Sie jetzt auf der Straße angesprochen ?
In der U-Bahn habe ich mal gehört, wie ein kleines Mädchen bühnenflüsternd zu ihrem Vater sagte: „Ich finde, er sieht viel weniger aus wie ein Penner als wie der Weihnachtsmann.“Dann habe ich mal dem Vorsitzenden des Lindenstraßen-Fan-Clubs in Louisville, Kentucky, ein Autogramm gegeben. Ich finde, das ist eine sehr tröstliche Vorstellung, daß in Amerika unsere Landsleute sich einmal in der Woche mit Dosenbier und einem Lindenstraßen-Video treffen, um ihre Muttersprache nicht zu verlernen.
Was machen Sie, wenn Sie gerade keine Kolumnen schreiben ?
Ich übersetze Bücher und tingele über die Käffer. Mittlerweile sind es 95 Bücher, 3 Theaterstücke und ein Film.
So viele Bücher haben andere Menschen in ihrem ganzen Leben nicht mal gelesen.
Das sage ich auch immer. Ich habe wahrscheinlich mehr Bücher übersetzt, als mein Vater, der Verleger Ernst Rowohlt, gelesen hat.
Sie treten auch als Romanfigur in Erscheinung. Warum werden Sie in Wiglaf Drostes Buch „Der Barbier von Bebra“als einziger Bartträger nicht getötet?
Wiglaf Drostes und Gerhard Henschels Buch! Das liegt wahrscheinlich daran, daß ich einer der wenigen Menschen bin, die Wiglaf Droste noch nicht übel aufgefallen sind. Wir sind mal zusammen in Wien aufgetreten. Ich habe ein kleines Publikum in Wien, und Wiglaf hatte noch nie in Wien gelesen. Die Leute, die in seine Lesung gegangen sind, sind also eigentlich in meine gegangen. Wir kannten uns vorher kaum, und sowas ist ja wirklich so ähnlich wie in dem Film Flucht in Ketten. Wir waren fünf Abende hintereinander auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Und danach ist man entweder für alle Zeiten zerstritten oder für alle Zeiten befreundet. Bei uns hat es sich so ergeben, daß wir für alle Zeiten befreundet sind. Und da konnte er mich ja schlecht in seinem blöden Krimi umbringen. Außerdem hätte ich mich ja möglicherweise auch gerächt. Ich bin übrigens schon mal in einem Krimi vorgekommen. Da wär ich fast ertrunken. Das ist ein Krimi von Peter Mathews, den habe ich in der Badewanne gelesen. Und deshalb wäre ich fast dran ertrunken, weil ich plötzlich drin vorkam. da habe ich so einen Schreck gekriegt. Man denkt an nichts Böses, liest 'n Krimi, plötzlich kommt man drin vor. Man schlägt sich halt so durch als Romanfigur.
Fragen: Oliver Nachtwey
Heute stellt Harry Rowohlt sein „Pooh's Corner ll“(Haffmanns) um 21 Uhr in der Fabrik vor.
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