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Politbüroprozeß

■ betr.: „Keine Amnestie fürs Polit büro“, Interview mit Hans-Jochen Tschiche, taz vom 27.8. 97

Wenn auch ungewollt, so hat Hans-Jochen Tschiche in seinem Interview wie kaum ein anderer deutlich gemacht, daß es sich bei der Verurteilung der DDR-Politbüromitglieder um politische Justiz handelt. Es muß einen mehr als nur nachdenklich stimmen, wenn ein grüner Landesfraktionschef wie folgt argumentiert: „Ich bin heilfroh, daß im Falle des Politbüros eine juristische Konstruktion gefunden wurde, die ein Urteil erlaubt – auch wenn diese Konstruktion nicht ganz befriedigend ist.“ (Warum? Vielleicht, weil sie das Recht beugt?) Und weiter: „Gerade der zu Ende gegangene Prozeß gegen die Politbüromitglieder zeigt doch, daß man zu juristischen Verrenkungen greifen muß, um ein Urteil fällen zu können.“ Der Zweck heiligt also die Mittel! Wie früher bei politischen Prozessen in der DDR. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun.

Gerade die übriggebliebene deutsche Linke müßte sich doch bewußt sein, welche langfristigen Auswirkungen die Aushebelung des Rechtsstaates haben wird, die im Falle des Politbüroprozesses bejubelt wird, nur weil es politisch opportun erscheint. Ohnehin befindet sich die Linke bereits in der ungewohnten Situation, daß sie das früher oft kritisierte Grundgesetz heute mit Zähnen und Klauen gegen Angriffe aus dem national- konservativen Lager und von neoliberaler Wirtschaftsseite verteidigen muß, um die Freiheits- und Sozialrechte der Rheinischen Republik zu retten. Rainer Rupp, Saarbrücken

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