: Woraus besteht eine Kommune?
■ betr.: „Aus ist's mit der Demokra tie“, „Verfassungsrichter auf CSU-Linie“, taz vom 30./31.8. 97
[...] Die Mitglieder dieses Verfassungsgerichts werden vom Landtag gewählt, also von der dortigen CSU-Mehrheit. Auch wenn der Staatsregierung und der CSU noch immer die göttlichen Eingebungen durch den Engel Aloisius fehlen, so gilt doch in Bayern traditionell auch nach dem November 89: die Partei, die Partei, die hat immer recht! Somit hat der gute Bayer seinem Verfassungsgericht Unfehlbarkeit zuzubilligen, verkündet es doch zudem unter dem Zeichen des Baierisch-Römischen Kruzifixes.
Die Konsequenz aus dieser Entscheidung ist nun zwingend die Änderung der Bayerischen Kommunalwahlordnung. Man stelle sich vor, ein Bürgermeister oder Landrat muß im zweiten Wahlgang durch Stichwahl ermittelt werden. Nur 46 Prozent der Wahlberechtigten stimmen ab. Der Bewerber der CSU erhält knappe, aber ausreichende 51 Prozent der gültigen abgegebenen Stimmen. Kann es denn angehen, daß der Stadt- oder Gemeinderat für sechs (!) Jahre an diese Entscheidung von weniger als 23,5 Prozent der Wahlberechtigten gebunden ist? Dieter Wutzer, Pressath
Die Darstellung in der taz ist insofern inkorrekt, als das Fehlen eines Quorums und die dreijährige Bindungsfrist nur in ihrem Zusammenwirken für verfassungswidrig erklärt werden. Jeder Punkt für sich alleine ist verfassungskonform. Dem Gesetzgeber wird freigestellt, in welcher Richtung er eine Änderung vornimmt.
Nichts desto Trotz ist die Begründung des Urteils lächerlich. Das Selbstverwaltungsrecht der Kommune würde eingeschränkt – woraus um alles in der Welt besteht die Kommune, wenn nicht aus ihren Bürgern?
Auch das Argument, ohne Mindestbeteiligung könnten Minderheiten gegen den Willen von Mehrheiten entscheiden, ist unrichtig. 20 Prozent pro, zehn Prozent contra und 70 Prozent unentschieden ergeben denselben Mehrheitsvorsprung wie 50 Prozent pro, 40 Prozent contra und zehn Prozent unentschieden. Wer das nicht akzeptiert, muß auch Bundestagswahlen als verfassungswidrig ablehnen. [...] Volker Wehner, Karlsruhe
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