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Lady Di, Mutti Teresa und Osho's Ehre Von Wiglaf Droste

Dem Chefredakteur des Neuen Deutschland, Reiner Oschmann, legte die junge Welt am 1. September ein Zitat in den Mund: „Es ist der Meutenjournalismus von Blättern wie Bunte, Praline und ND, der Lady Di auf dem Gewissen hat. Nein, das war nicht die feine englische. Wir alle sind schuldig.“

Das wollte sich Oschmann, Autor des Buches „Die feine englische“, nicht nachsagen lassen und schickte eine Gegendarstellung. Die wurde von der jW am 8. September gedruckt; „weder wörtlich noch sinngemäß“ habe er sich „so geäußert“, monierte Oschmann.

Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Schließlich hatte Oschmann im ND vom 1. September unter der Überschrift „Herzkönigin“ geschrieben, „Lady Di, das schönste Gesicht des Monarchismus“, sei „auf der ebenso verständlichen wie vergeblichen Flucht vor den Bluthunden“ „zur Strecke gebracht“ worden – Oschmann also hatte denselben gehirngewaschenen Kitschkrampf zu Papier gebracht wie die Redakteure der anderen Blätter auch.

Am 8. September legte Oschmann auf Seite 1 des ND unter der Titelzeile „St. Diana“ noch einmal mächtig nach – ganz so, als wolle er seine eigene Gegendarstellung gegendarstellen: „Das Wochenende von London war bewegend, rätselhaft“ (...) „Bewegend zu sehen, wie viele Menschen vom Unfalltod einer sensiblen und schönen, für die meisten aber fremden Frau berührt wurden“ (...) „Dieses Wochenende markierte aber auch den vielleicht endgültigen Beginn des Paparazzi-Zeitalters. Es zeichnet sich durch Maßlosigkeit hier und massenhafte Gleichgültigkeit dort aus.“

Und über die ungünstigerweise der Diana Spencer zu flink hinterhergestorbene Abtreibungsgegnerin Mutti Teresa wußte Oschmann im selben Atemzug: „Das ,größte Medienereignis des Jahrhunderts‘ hat Diana zur Heiligen gemacht, und daß Mutter Teresa keine vergleichbaren Einschaltquoten haben wird, hat auch damit zu tun, daß sie auf dem falschen Kontinent, im falschen Alter und, medial betrachtet, im falschen Film gestorben ist.“ Betrachtet man Oschmanns Willen und Fähigkeit, seine eigene geistige Umnachtung im vollen Ausmaß öffentlich zu machen, kann man nur sagen: Die jW hatte ihn mit ihrem gefälschten Zitat vergleichsweise äußerst fair behandelt.

Überhaupt mutet Oschmanns Ehrpusseligkeit etwas seltsam an. Schließlich ist er sich nicht zu schade, im eigenen Blatt als Autotester aufzutreten und seinen VW Vento kräftig zu loben. Ob's am Journalistenrabatt liegt? Auch als Plattenkritiker blamierte er sich ganz prächtig: In der Rezension einer Pink-Floyd-CD schwärmte er von der „windgekämmten Gitarre“. Ein gelinde gesagt ungewöhnliches Gebaren für einen Chefredakteur – der von Kollegen u.a. seiner Ähnlichkeit mit dem Dalai Lama wegen auch gern „Osho“ genannt wird.

Wenn die Hysterie um das Ableben einer Comicfigur, einer Yellow-press-Existenz abgeklungen sein wird, mag evtl. der eine oder andere, der an ihrer Herstellung beteiligt war, aufwachen und wünschen, er wäre nie geboren worden. Reiner Oschmann aber, Chefredakteur eines Blattes, das sich „Sozialistische Tageszeitung“ nennt, beharrt noch auf der Ehre der Oshos': dem Grundrecht auf Brei zwischen den Ohren.

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