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Was fehlte: die „uniformierte Adie“

■ betr.: „Ich spiele nicht den Hel den“, Interview mit Kate Adie, Chefkorrespondentin der BBC, taz vom 4.9. 97

[...] Kate Adie brachte sicherlich die Intellektualität ein, die ein wenig die betulich-naive Sicht kaschierte, mit der Gaus, König und Meissner ihr eigenes Tun umschrieben: So wollen sie die objektive Wirklichkeit schildern, das, was ist, abbilden, Chronistinnen von Ereignissen sein. Wie wenn nicht schon vor Urzeiten ihr Berufskollege Kracauer darauf hingewiesen hätte, daß Wirklichkeit eine mediale Konstruktion ist; daß die sozialisationsbedingte, interessegeleitete Perspektive der Korrespondentin bestimmt, welchen Ausschnitt des Faktischen sie hervorhebt und welchen sie im dunkeln läßt – ganz zu schweigen von der interessegeleiteten Zurichtung des zugerichteten Materials in den Agenturen und Redaktionen; ganz zu schweigen von dem Faktum, daß das Auftauchen von Kamera und Aufnahmegerät Ereignisse in spezifischer Weise in Gang bringt?

Sich selbst als Mitkonstrukteurin von Wirklichkeit zu sehen, daran war Kate Adie dann am nächsten, wenn sie – als Adie in Uniform – ihre Parteinahme für die Kriegsziele der britischen Armee im Irak-Krieg in nationalistischer Tonlage verteidigte oder emotional-platt auf einen Hauch von Systemkritik aus dem Publikum reagierte. Neben dem Gegrummel der „Danach-Kritik“ des Publikums fehlte im Interview gerade diese „uniformierte Adie“, so daß dank taz die Frage abgeblendet bleibt, warum ausgerechnet Korrespondentinnen sich an einer obsoleten „Objektivitätsillusion“ festkrallen, mit der der männliche Blick stets den „anderen Blick“ ausschloß; warum Kate Adie ihren partiell „abweichenden“ Blick dann opfert, wenn die männlich- inszenierte „Nation“ und „Demokratie“ bedroht scheint. Wolf Riemer, Berlin

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