Mit Provokationen gegen den Kommerz
■ Heute abend eröffnet „Prisma“, das 3. Internationale Tanz- und Theaterfestival in Oldenburg
Nur etwas mehr als eine Woche, nachdem das 4. Internationale Filmfest LiebhaberInnen des Independent Kinos gelockt hat, werden nun die FreundInnen experimenteller Tanz- und Theateraufführungen den Weg nach Oldenburg finden. Zwölf Tage lang werden bekannte KünstlerInnen aus Brasilien, Israel und fünf europäischen Ländern sowie Produktionen niedersächsischer Ensembles in der Halle der Kulturetage und in der eigens hergerichteten ehemaligen Pakethalle in der Hauptpost zu sehen sein.
Ein besonderer Schwerpunkt der dritten Auflage von Prisma liegt – im Gegensatz zu den Vorgängerfestivals, die sich vorwiegend Osteuropa gewidmet hatten – auf Produktionen aus dem portugiesisch-spanischen Sprachraum.
Der Lissaboner Tänzer Paulo Ribeiro, ein wichtiger Vertreter des portugiesischen Tanzwunders, widmet sich mit seiner fünfköpfigen Companhia in dem Stück „Rumor de Deuses“der grotesken Hoffnung der Menschen nach göttlicher Rettung (21.9. 19.30 h, Kulturetage).
Weitaus experimenteller geht es bei Marcel.li Antúnez Roca zu. „Epizoo“nennt er seine Performance. Der als kreativer Kopf der Performance-Gruppe „La Fura dels Baus“bekannt gewordene Katalane löste mit seinem Auftritt auf vielen europäischen Festivals bereits heftige Reaktionen aus. Antúnez begibt sich auf eine drehbare pneumatische Konstruktion, mittels derer Nase, Mund, Ohren, Brustmuskeln und Gesäß bewegt werden können. Dieses Korsett ist mit einem Computer vernetzt, über den das Publikum auf die Bewegungen des Akteurs Einfluß nehmen kann. Eine interaktive Körperverformung kann beginnen (17. u. 18.9., jeweils 20 u. 21 h, Pakethalle).
In Videoclipmanier gestaltet die siebenköpfige Tanz-Company „Quasar“ihren Auftritt. Aus den Komplexen Sex, Gewalt, Jugendkultur und Tabubruch collagieren die BrasilianerInnen zur Musik des Popmusikers Arnalso Antunes ein drastisches Bild des Lebens auf der Straße (26. u. 27.9., 21 h, Kulturetage).
Als „Terror-Humorist“und „Mr. Hyde der Clowns“angekündigt, verspricht auch der Auftritt des Italieners Leo Bassi kaum gängige Zirkuskost. Unter Einbeziehung der ZuschauerInnen bemüht sich der „Bad Boy des Entertainments“darum, das Theater in Brand zu stecken, Freiwillige mit Elektroschocks zu traktieren und Hundescheiße zu verzehren (25.9., 21 h, Kulturetage).
Wer meint, das nicht mit heiler Haut überstehen zu können, kann sich ohne Existenzangst auch anderen, nicht weniger virtuosen Darstellungen aussetzen. Die bulgarische Theatergruppe „La Strada“wird mit ihrem Stück „Jam Session“erstmals in Deutschland zu sehen sein. Die erste Produktion der bekanntesten SchauspielerIn-nen Bulgariens wurde nach nur wenigen Wochen von Fachleuten begeistert gefeiert. Eine mitreißende Mischung von Theater, Clownerie und Live-Jazz verspricht das Programmheft, dargeboten von „entfesselt agierenden SchauspielerIn-nen, die im wilden Tempo die Themen und die Mittel der Darstellung wechseln“(19. u. 20.9., 21 h, Kulturetage).
Zu guter letzt noch einen Hinweis auf eine Inszenierung des israelischen Choreographen-Ehepaars Liat Dror und Nir Ben Gal, konzipiert wenige Monate nach der Ermordung Rabins durch einen fanatischen israelischen Fundamentalisten. Das politisch motivierte Tanztheaterstück „Interrogation“verweigert sich den Vorgaben der political correctness ebenso entschieden wie ästhetisch hübschen Harmlosigkeiten. Wie in einer Versuchsanordnung werden Szenen eines Verhörs mehrmals und mit unterschiedlichen Ausgängen durchgespielt. Die klaren Grenzen zwischen Peiniger und Gepeinigtem gehen im Verlauf des Stücks ebenso verloren wie die klaren Vorstellungen darüber, wann Lust in Gewalt, Zärtlichkeit in Zwang umschlägt (16.9., 20.30 h u. 17.9., 21 h, Kulturetage). taz
„Prisma 3“eröffnet heute abend um 20.30 h mit dem israelischen Ensemble Liat Dror & Nir Ben Gal Company. Ab 22.30h spielt das Elena Suchankova Quartett in der Kulturetage.Die Festivalkarte kostet 99 Mark; weitere Auskünfte und Termine erteilt das Veranstaltungsbüro unter 0441/924800
