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Gedichte und politische Aktionen

■ Kurdische Intellektuelle und Solidaritätsgruppen in aller Welt nutzen das Internet zur Selbstdarstellung und Diskussion

Ayhan Aksozek lebt in Amsterdam, Roni Demirbag in Sydney, K.M. Gailani in Lulea (Schweden), „ciran“ in Stuttgart. Sie sind Kurden und unterhalten private Webseiten. „ciran“ interessiert sich für kurdische Gedichte, „Mario“ aus Kroatien hat gleich ganz Kurdistan im Cyberspace nachgebaut.

Doch nicht nur engagierte Privatleute, auch kurdische Institutionen nutzen das Internet als kaum zensierbare Plattform. Im „Kurdistan Web“ steht die Politik im Vordergrund, die Website fordert dazu auf, einen vorformulierten Brief gegen die Räumung eines Flüchtlingslagers im Nordirak an die UNO zu schicken.

Allzu aktiv scheint das Kurdistan Net jedoch nicht zu sein: Die Rubrik „Forthcoming Events“ versammelt Termine aus dem Herbst 1996. Das „Kurdish Information Network“ hält sich eher an die über den Tag hinaus aktuelle Kultur mit Links zur kurdischen Sprachwissenschaft, einem kurdischen Sprachkurs und kurdischen Liedern online. Für die neuesten Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen im türkischen Teil Kurdistans ist „AKIN“, das „American Kurdish Information Network“ die beste Adresse. Eine Sammlung der besten Links ist unter www.berlinet.de/Kurdistan/ kr_url.htm zu finden.

Die Adressen der Server zeigen, wo das Zentrum der kurdischen Emigration liegt: in Schweden. Hier, wo auch die meisten kurdischen Bücher und Zeitschriften erscheinen, haben besonders viele kurdische Intellektuelle das Internet entdeckt. Auch die in Deutschland herausgegebene Tageszeitung Özgür Politika (ÖP) ist mit ihrer Online-Version hier zu Hause. Sie erscheint in türkischer Sprache – weil das Kurdische jahrzehntelang in der Türkei verboten war, schrieben, sprachen und dachten die meisten kurdischen Intellektuellen in Türkisch. Nur Englisch schreiben Kurden im Netz noch öfter als Türkisch. Im Usenet treffen unter „soc.culture.kurdish“ Hitzköpfe aufeinander, die sich gegenseitig Nationalismus vorwerfen, darunter Anhänger der beiden größten kurdischen Parteien im Nordirak, die im wirklichen Leben schon mal aufeinander schießen.

Solidarität ist trotz dieser heftigen Streitereien nötig. Eine Reihe kurdischer Institutionen in Deutschland ist mit Selbstdarstellungen im Internet vertreten, darunter KOMKAR, der Verband der Vereine aus Kurdistan e.V., der „Kurdistan Kultur- und Hilfsverein“ oder der „Kurdische Rote Halbmond“, eine humanitäre Organisation, die sich an den Zielen des Roten Kreuzes orientiert (http://www.uni-marburg.de/dir/ GRUPPEN/PROJEKTE/HALB MOND.HTML). Wer mehr wissen möchte, ist mit Günther Max Behrendts und Robert Olsons einführenden Aufsätzen über den kurdischen Nationalismus in der Türkei (sun1.rrzn.uni-hannover.de /nhrkbehr/aufsatz.html und www. xs4all.nl/~tank/kurdish/) gut bedient. Wer weiß schon, daß es neben den Kurden auch eine zweite Minderheit in der Türkei gibt, die eine den Kurden nahestehende Sprache spricht: die Zazas? Einige halten sich für Kurden, andere nicht. Mehr darüber unter coli.unisb.de/~fs-coli/procs/temizbas. html Sebastian Cwiklinski

(brief@taz.de)

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