: „Als ob man ins Leben schauen würde“
■ Die taz stellt in einer neuen Serie ebenso neue SängerInnen und SchauspielerInnen am Bremer Theater vor / Den Auftakt macht der Bariton Armin Kolarczyk
Den alten Mythos, daß SängerInnen der Gesang quasi in die Wiege gelegt ist, bestätigt Armin Kolarczyk nicht: Der neue Bariton des Bremer Theaters hat eine Ausbildung als Geiger abgeschlossen. „Aber ich bin nicht Paganini. Die Konkurrenz ist einfach zu groß.“
Deshalb studierte der Deutsch-Italiener Jura, Vorbild war sein Vater. Gleichzeitig studierte er, ohne Ziel und trotz anfänglich großer Abneigung gegen Opern, Gesang. Seine Lehrerin war in München die Sizilianerin Ada Zapperi, die ihn privat ausbildete, nachdem sie ihn aus der Gruppe eines Meisterkurses von dreißig SängerInnen ausgewählt hat. Schließlich schließt er innerhalb von fünf Jahren zwei Studien ab. „Das Studium des italienisches Rechts ist anders und leichter als in Deutschland, und Gesang war nicht mehr mit den zeitraubenden Nebenbedingungen des Studiums belastet.“
Seine Vielseitigkeit empfindet er als enorm entlastend. „Ich muß nicht singen, ich kann immer auch was anderes machen. Ich muß mich noch nicht einmal anpassen“. Dafür waren auch seine Eltern verantwortlich, denen er wegen ihrer vielseitigen geistigen und praktischen Angebote „alles verdankt“. Der 33jährige hat einen Bruder, der Organist und Physiker ist. Anders als andere, die auf ein solches Elternhaus erst Recht mit „Null Bock“reagieren, hat Armin Kolarczyk diese Situation genossen: „Das lag sicher auch daran, daß meine Muttersprache Deutsch war und ich mich in Südtirol unter anderen Kindern immer als Außenseiter gefühlt habe.“
Gesungen hat er im Kinderchor, aber später erstmal nicht mehr. „Ich bin übrigens sehr stolz darauf, daß ich einer der ganz wenigen bin, die den Lehrer nicht gewechselt haben. Ich gehe auch heute noch oft zu Ada, um die Kontrolle zu behalten.“
Glück und Unglück hat er in seinem ersten fünfjährigen Engagement am Städtetheater Passau gehabt. Glück: Als einziger Bariton konnte er sich durch ein riesiges Repertoire singen, u. a. Almaviva, Jago, Jakob Lenz. Unglück: Fünfzehn bis achtzehn Vorstellungen pro Monat, „da fällt man nur noch tot ins Bett“. Gefahr, sich zu übernehmen? „Bei mir nicht. Meine Technik stimmt.“Auf sein Verhältnis zur Kritik angesprochen, reagiert er empfindlich: „Die wenigsten verstehen, mit wieviel Gefühl wir da stehen. Wir geben immer alles.“Den Einwand, daß derartige wunderbare Eigenschaften ja noch nicht notwendig eine überzeugende Leistung ergeben, räumt er allerdings ein.
Das Vermögen, eine Rolle gestalten zu können, speist sich aus vielerlei jenseits des schauspielerischen und sängerischen Handwerks: Regie, Kenntnisse über den musikhistorischen Stellenwert des Stückes, Kenntnisse über die Zeit, in der das Stück spielt, auch Aufmerksamkeit gegenüber dem Zeitgeschehen. „Für mich ist es wichtig, Ruhe zu finden, wirklich innere Ruhe. Ich gehe viel in die Natur, ich male... Man gibt so viel ab, das geht nicht ohne Auftanken.“
Armin Kolarczyk mag das Lied, aber in die Oper hat er sich in den Jahren intensivster Praxis verliebt: „Das ist, als ob man ins Leben schauen würde“. Froh ist er, daß er Bariton ist; denn mit den Liebhabern, die ja meist der Stimmlage des Tenors anvertraut sind, hat er es nicht so. Aber der Bösewicht Jago und der dümmlich-herrische Almaviva zum Beispiel, das sind ja nicht besonders angenehme Typen? „Aber große Persönlichkeiten. In jedem von uns steckt ein kleiner Jago und ein kleiner Almaviva.“Den großen Piero Cappucilli verehrt er, und seine erste Rolle in Bremen ist der salbungsvoll Freiheit spendende Minister in „Fidelio“.
Ute Schalz-Laurenze
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen