: Polemik contra Schärfe
■ Fernsehmenschen machen Bücher: Harald Schmidt bleibt leider dem Evangelium des Banalen verhaftet, Roger Willemsen dagegen punktet durchaus klischeegerecht
Die Leute sehen gerne fern und lesen deshalb auch gerne noch mal nach. Nun gibt es zwei neue Bücher. Das eine, ein preiswertes Taschenbuch, ist von Harald Schmidt und heißt „Warum?“. Auf dem Cover, huch, gar nicht Goethe, sondern Schmidt, eine Fotomontage. Erschienen ist „Warum?“ bei einem Verlag, der regelmäßig Deutschrocker und Fernsehgesichter an die Schreibmaschine setzt: Richard Rogler, Rio Reiser, natürlich Wigald Boning und Helge Schneider. Sichere Sache.
Roger Willemsens „Kaff der guten Hoffnung“ erschien in einem Verlag mit weitaus bedeutenderen Humoristen im Angebot: Max Goldt, Harry Rowohlt, Robert Gernhardt etwa. Dieses Hardcover-Büchlein darf ein bißchen teurer sein, das Cover hat Michael Sowa gemalt, ein Haffmans-Standard. Willemsens Texte erschienen größtenteils zuerst in der Woche, die Schmidtschen in Focus. „Frohes Anschaffen!“ will man da rufen. Aber falsch. Schließlich sendet Schmidt auch auf Sat.1. Daß er die Zuschauer dort in „Deutschlands einzigem Kuschelsender“ begrüßt oder nach einem Angeberexkurs über Kant „Hallo, liebe Sat.1- Fans“ brüllt – das ist ganz bestimmt subversiv. Und in Focus einen Text mit „Dies ist nicht der Ort für Floskeln“ zu eröffnen oder in einem Interview mit Focus den Frager mit einem astreinen „Sie sind Meinungsbildner, ich bin nur Info- Elite“ zu desavouieren, das sind gewiß sakrosankte Fallrückzieher. Doch Schmidts Kabarettvergangenheit durchwirkt seine Texte, und das tut ihnen nicht gut.
Schmidts große Kunst, des Tages Blähungen auf 20 Minuten zu komprimieren, macht seine Show zum Monolithen im drögen Abendprogramm. Aber in „Warum?“ bleibt er dem Evangelium des Banalen verhaftet, geht über die Auflistung der Übeltäter und Narreteien nicht hinaus. Als sei die bloße Beschreibung der Altgemeinplatz-Ärgernisse Öko- Lehrer, Brigitte-Leserin oder T-Aktionär schon alles. Natürlich entkräftet Schmidt auch diesen Kritikansatz, indem er einfach zustimmt und mit seiner vermeintlichen Tolldreistigkeit kokettiert.
Daß Schmidt weder Leser noch Gäste wirklich interessieren, ist evident – cool oder absurd. Roger Willemsen interessiert sich dagegen viel zu sehr für seine geladenen Damen. Daß sein enervierend konziliante Kompliments-Hinundher mit den Models und Schauspielerinnen aus Übersee den Autor dieses Buches nicht mal erahnen läßt, ist schade – denn wohlüberlegt und grandios gepuzzelt gelang sein stark überarbeitetes Konvolut.
Harald Schmidt beließ es bei einigen Postskripta. Für ihn ist die abendliche Show der optimale Entfaltungsrahmen. Seine Witze erscheinen schon in der Nacherzählung und erst recht in der vorliegenden Buchform alt, bröselig und schematisch – in der Show werfen sie Funken, denn erst Schmidts Auftritt katalysiert die einfach strukturierten Possen zu Glücksmomenten deutscher Fernsehunterhaltung.
Roger Willemsen punktet dagegen klischeegerecht von der Klause aus: Dekonstruktion mittels punktgenauer Analyse und schlicht mehr handwerkliche Kompetenz lassen seine Aufsätze hochschweben. Dabei entgleitet ihm nie das Gefühl für Rhythmus, kleine Späße und Soll- Oderbrüche – Peter Bond und Hieronymus Bosch, Handke und Hahne, Molière und Moik werden nicht der bloßen Verwirrung halber gegeneinander gehetzt, sondern dort, wo sie für Zustände verantwortlich zeichnen oder als Symptome taugen, virtous seziert oder auch nur passend zitiert. Willemsen ist eben kein bebrillter Quatschkopf, der opportun Sport und Unterhaltung streift, um abgeklärte Panorama-Wahrnehmung zu belegen. Anders als Schmidts Polemik wirkt Willemsens Schärfe stets fundiert, Sottisen nie um ihrer selbst willen ins Feld geführt. Um so heimleuchtender dröhnen seine Parabeln und Beweise des allgemeinen Verfalls. Denn darin sind sich Willemsen und Schmidt wohl einig: Lustig ist das alles nicht. Aber komisch schon. Benjamin v. Stuckrad-Barre
Harald Schmidt: „Warum?“. Kiepenheuer & Witsch, 220 S., 16,80 DM; Roger Willemsen: „Das Kaff der guten Hoffnung“. Haffmanns Verlag, 230 S., ca. 28 DM
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