■ Störzeile: Standhafte Pisser
Die öffentliche Bedürfnisanstalt hat eigentlich viel mehr mit einem öffentlichen Bedürfnis zu tun, als viele öffentliche Pisser glauben. Wir brauchen das kollektive Klo, auch wenn die geballte Männlichkeit bei jedem erstbesten Stromkasten, Busch oder Mäuerchen meint, zwecks Reviermarkierung zum Hosenschlitz greifen zu müssen.
Nein, bei der geplanten Klo-Reform ist es mit einer Privatisierung allein nicht getan. Die drängenden Bedürfnisse der unbelehrbaren Outdoor-Urinierer sind vielmehr eine pädagogische Aufgabe. Da gilt es, von geheilten Geschlechtsgenossen Aufklärungsarbeit leisten zu lassen, da müssen VHS-Kurse her, von einer langfristigen Präventionsarbeit ganz zu schweigen.
All das kostet natürlich das Geld, das der Senat gern einsparen möchte. Also, woher die Knete nehmen, wenn nicht von den standhaften Pissern selbst? Zwischen 100 und 250 Mark Strafe etwa, je nach Standort und Sichtweite. Ist nämlich in der norwegischen Ex-Hanse- und Hafenstadt Bergen längst üblich. Wäre auch strafverfolgungstechnisch günstig, da Urinierende nicht zum Weglaufen neigen.
Wiederholungspisser müßten natürlich härter angefaßt werden. Vielleicht mit Zwangs-Katheterisierung. Obwohl das irgendwie auch etwas unpädagogisch wäre.
Jedenfalls kämen allein bei 150 ertappten Open-Air-Pissern pro Tag locker weit mehr als 5,2 Millionen jährlich für die unverzichtbaren öffentliche Klos zustande. Eine Klo-Privatisierung in Form einer integrierten Pinkel-Pommesbude wäre damit überflüssig. Und die geruchssensible Öffentlichkeit von einem prähistorischen Überbleibsel männlichen Imponiergehabes befreit. Silke Mertins
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