Scientologen chartern Geistermaschine

■ Daß aus der geplanten Demonstration von Scientology am kommenden Montag ein Massenspektakel wird, erscheint immer unwahrscheinlicher. Widersprüchliche Aussagen über Teilnehmerzahlen. US-Hauptquartier

Knapp eine Woche vor der geplanten Scientology-Demonstration am kommenden Montag, die von der Deutschlandhalle zum Brandenburger Tor führt, hat der Sektenkonzern noch immer keine Räumlichkeiten für die einen Tag später geplante „Konferenz für Religionsfreiheit und Menschenrechte“ gefunden. Trotzdem soll die Tagung „in jedem Fall stattfinden“, sagt Georg Stoffel, Sprecher von Scientology in München. „Notfalls auch im Freien.“ Anfang September hatte die Scientology- nahe Organisation „Freedom for Religion in Germany (FRG)“ Räume im Hotel Kempinski angemietet. Nachdem die taz über die geplante Konferenz in dem Hotel berichtet hatte, zog das Kempinski die Vermietung zurück.

Auch sonst sieht es so aus, als ob es in der kommenden Woche kein Massenspektakel geben wird: „Wir werden uns freuen, wenn 10.000 Menschen kommen“, hofft Stoffel. Er hält die Schätzung der Berliner Scientolgy-Sprecherin Ute Koch, die von 30.000 Demoteilnehmern ausgeht, für eine „gewagte Aussage“.

Nach Angaben von Ute Koch haben bereits 10.000 Menschen „unterschiedlichster Religionsgemeinschaften“ aus der ganzen Welt zugesagt, an der Demonstration unter dem Motto „Breaking the wall of intolerance“ teilzunehmen. So sollen Teilnehmer aus den USA, Australien, Neuseeland und sogar aus China dabeisein. In England sei ein Flugzeug nur für Demonstrationsteilnehmer gechartert worden. Auch wurden laut Koch spezielle Flugkontingente in der Schweiz und Italien gebucht.

Im Internet kursiert eine Ankündigung, in der eine Boeing 737-300 aus Zürich-Kloten nach Tempelhof nur für Demonstrationsteilnehmer gechartert worden sei. Im Flughafen Tempelhof ist darüber jedoch nichts bekannt. „Es liegt uns keine Anmeldung im Computer vor“, sagt die zuständige Mitarbeiterin. Außerdem dürfen derartig große Maschinen in Tempelhof gar nicht landen.

Die Fluggesellschaften Delta- Airlines und Lufthansa haben kein erhöhtes Passagieraufkommen registiert. Die Flüge aus Los Angeles nach Berlin seien am nächsten Wochenende zwar relativ voll, doch das sei zu dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich, heißt es bei der Fluginformation.

Darüber, ob an der Demonstration tatsächlich prominente US- Schauspieler wie John Travolta („Face Off“) und Anne Archer („Fatal Attraction“) teilnehmen werden, wollte sich Scientolgy „aus Sicherheitsgründen“ gestern nicht äußern. „Es gibt Zusagen von einigen US-Stars“, sagte Koch. Fest steht laut Stoffel nur, daß der Blues-Musiker Isaac Hayes, der unter anderem einen Oscar für die Titelmelodie des Filmes „Shaft“ bekommen hat, bei der Demonstration dabeisein wird. Er soll bei dem angekündigten „Konzert für Religionsfreiheit“ bei der Abschlußkundgebung am Brandenburger Tor auftreten.

Auch in den USA ist Scientology offenbar über die laue Teilnahme beunruhigt: Im Internet wird zur Demo aufgerufen, da die „deutschen Scientologen“ Unterstützung brauchten. Zusätzlich fand am Wochenende ein Krisentreffen der Flag, des geistigen Zentrums von Scientology, in Clearwater/Florida statt. Dort wurde die Wichtigkeit des „Kreuzzugs“ in Berlin thematisiert. Julia Naumann