: Chinas Politiker düsen zum Shoppen in die USA
■ Mit den Einkäufen soll Clinton beruhigt werden – und Chinas WTO-Beitritt erlauben
Genf (taz) – Schon das Transportmittel war bewußt gewählt. Statt mit einer Maschine der chinesischen Staatslinie landete Chinas stellvertretender Handelsminister Sun Zhenyu vorgestern lieber mit einem Boeing-Jumbo der United Airlines in Los Angeles. Denn auf dem Besuchsprogramm seiner hochrangigen Wirtschaftsdelegation stehen Vertragsverhandlungen über den Kauf von 30 Boeing- Flugzeugen, Kraftwerksanlagen, Autoteilen und Dünger im Gesamtwert von über vier Milliarden US-Dollar (sieben Milliarden Mark). Mit dieser eindrucksvollen Einkaufsliste wollen die Chinesen in den USA gut Wetter machen, schließlich ist nächste Woche in Washington das große Gipfeltreffens angesetzt zwischen den Präsidenten Bill Clinton und Jiang Zemin. Da hoffen die Chinesen auf Fürsprache für ihren großen Wunsch, bald der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten zu dürfen.
Doch selbst bei einem Abschluß aller geplanten Kaufverträge würde der enorme Handelsüberschuß Chinas mit den USA lediglich geringfügig verringert. Im vergangenen Jahr betrug er 40 Milliarden Dollar. US-Wirtschaftsexperten sagten bislang eine Steigerung auf 44 Milliarden Dollar für dieses Jahr voraus. Und auch andere WTO-Staaten klagen über stark wachsende Handelsdefizite mit China in Milliardenhöhe.
Das enorme Ungleichgewicht im Warenaustausch machte die USA bisher zum Gegner einer Aufnahme Chinas in die WTO – immerhin versucht die Regierung in Peking seit über zehn Jahren, in die WTO, beziehungsweise in ihren Vorläufer Gatt, aufgenommen zu werden. Als Vorbedingung verlangt Washington vor allem die weitgehende Öffnung des chinesischen Marktes für den Finanzmarkt und andere Dienstleistungen, den Abbau von Einfuhrzöllen sowie die Abschaffung von Exportsubventionen für Agrargüter. Washingtons Kritik an bislang „völlig unzureichenden Maßnahmen“ Pekings wies Chinas Vizeaußenhandelsminister und Delegationschef bei den WTO-Beitrittsverhandlungen in Genf, Long Yongtu, Anfang Oktober zurück. Long Yontu verwies darauf, daß die chinesischen Einfuhrzölle für ausländische Waren seit 1992 im Durchschnitt von 42 Prozent auf 17 Prozent gesunken seien. Außerdem sei die Liste ausländischer Güter, für die sonstige Einfuhrbeschränkungen gelten, von 1.260 auf unter 200 reduziert worden.
Die Kritik Washingtons an China wird von Japan und der Europäischen Union zwar überwiegend geteilt. Von einer einheitlichen Linie der drei wirtschaftsstärksten WTO-Mitglieder kann jedoch keine Rede mehr sein. In einer Sondervereinbarung mit der EU sagte China Anfang Oktober zu, bislang gültige Einfuhrquoten für zahlreiche Güter demnächst völlig abzuschaffen – nur das genaue Datum steht noch offen. Außerdem versprach Peking der EU, bald seinen Markt für ausländische Banken und Versicherungen endlich weiter zu öffnen. EU-Handelskommissar Leon Brittan bezeichnete die Vereinbarung mit Peking als einen „Durchbruch“ auf dem Weg zu Chinas WTO-Mitgliedschaft. Washingtons WTO-Chefunterhändlerin Charlene Barshefsky wollte sich letzte Woche auf Anfrage dieser Wertung ausdrücklich nicht anschließen und sprach lediglich von einem „positiven Schritt“ Pekings. Mit Japan hat China sich bereits in einer ganzen Reihe von WTO-Sektoren verständigt, über die es mit den USA und der EU derzeit noch verhandelt. Nach den WTO-Regeln muß China als Bedingung für einen Beitritt allerdings allen 133 WTO- Mitgliedern seinen Inlandsmarkt gleich weit öffnen. WTO-Generaldirektor Renato Ruggiero will nicht ausschließen, daß der chinesisch-amerikanische Gipfel einige Hürden auf dem Weg Chinas in die WTO beiseite räumt. In der Genfer WTO-Zentrale wird ein Beitritt rechtzeitig bis zum 50. Geburtstag von WTO/Gatt im Mai nächsten Jahres nicht ausgeschlossen. Andreas Zumach
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