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Quo vadis GUS?

■ Der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten fehlt die gemeinsame Idee

Eine offene Diskussion über die Zukunft der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hatte der ukrainische Präsident Leonid Kutschma bei einem Besuch Kasachstans und Kirgistans noch in der vergangenen Woche gefordert. Und hinzugefügt: „Ich sehe nicht, welche Rolle die GUS überhaupt spielt.“ Zumindest nach dem letzten Gipfel, der am Donnerstag abend in Chisinau, der Hauptstadt Moldovas, zu Ende ging, darf sich Kutschma bestätigt fühlen. Das Treffen, bei dem sowohl wirtschaftliche Kooperation, die Lösung territorialer Konflikte innerhalb einzelner Republiken als auch der Kampf gegen Kriminalität auf der Tagesordnung standen, brachte wieder einmal keine konkreten Ergebnisse. Was Rußlands Präsident Boris Jelzin wohl auch dazu veranlaßte, endlich Tacheles zu reden. Das Bündnis funktioniere derzeit nicht und Rußland sei zu einem großen Teil selbst schuld daran, ließ der Kremlchef wissen. Jelzin hat Recht: Das Bündnis ist in einer Sackgasse.

Verwundern kann das Herumlavieren der zwölf Mitgliedsstaaten eigentlich niemanden. Denn immer stärker macht sich nun der Geburtsfehler der GUS bemerkbar. Ende 1991 in aller Eile auf den Trümmern der zusammengebrochenen Sowjetunion mit dem Ziel errichtet, ein Machtvakuum zu verhindern, fehlte dem Bündnis von Anfang an eins: eine übergeordnete Idee von Sinn und Ziel.

Diese Idee gibt es bis heute nicht. Statt dessen kocht jeder der beteiligten Staaten lieber sein eignes Süppchen, frei nach dem Motto: gut ist, was den nationalen Interessen dient. Und die liegen für Staaten wie die Ukraine oder Georgien schon längst nicht mehr primär in Moskau. Die GUS wird immer nur dann bemüht, wenn es gilt, irgendwo die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Besonders eindrucksvoll demonstrierten das bei diesem Gipfel die Vertreter der Republik Moldova. Der Staatschef der abtrünnigen Dnjestr-Republik, Igor Smirnow, verlangte eine Sondereinladung zum Gipfel, als eigenständiges GUS-Mitglied. Als die Anerkennung der Unabhängigkeit durch die Hintertür nicht klappte, erschien Smirnow gar nicht – eine außenpolitische Niederlage Rußlands, das sich mit der Ukraine als Vermittler angeboten hatte.

Auch die Zusammenschlüsse innerhalb des Bündnisses zeigen, wie sehr das Auseinanderdriften droht. Weder die im März 1996 gegründete Gemeinschaft Integrierter Staaten noch die unselige russisch-weißrussische Union taugen als Vorbild für eine Integration. Der GUS-Gipfel hat sich auf den 23. Januar 1998 vertagt. Vielleicht der letzte Versuch, bevor das Totenglöckchen geläutet wird. Barbara Oertel

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