Porträt
: „Euro-Killer“ Thömmes läßt die Fans kreischen

■ Nach dem Pokalsieg über Dortmund rückt ein Trierer Toremacher in den Blickpunkt

Völler? Wo ist der Völler? Was macht der in Trier? Was sucht der im Moselstadion, wenn sich Regionalligist Eintracht Trier und Champions- League-Sieger Borussia Dortmund im DFB-Pokal gegenüberstehen? Noch ruht der Ball, doch die 17.900 Fans im ausverkauften Rund schreien schon, daß die Gurgelzäpfchen vibrieren: „Ruudi, Ruudi, Ruudi“.

Völler war natürlich nicht in Trier. Der Rudi von der Mosel heißt Thömmes, ist 28 Jahre alt, hat ein wenig Locken wie der Völler und sogar ein paar graue Haare mögen dabeisein. Daß er den großen Rudi vergangener Tage als sein Vorbild preist, paßt freilich so gut ins Bild, wie die Tatsache, daß er ein Stürmer ist, der oft trifft. Exakt fünfmal in zwölf Punktspielen – und außerdem war da eben das Tor zum 1:0-Sieg gegen Uefa-Cup- Sieger Schalke 04 in Runde zwei des DFB-Pokals.

Auf der altersschwachen Haupttribüne hatte Vera Dietz schon vorher erklärt, was Sache sein würde: „Der Rudi macht bestimmt wieder ein Tor.“ Vera Dietz ist die Ehefrau des Eintracht-Platzwartes und so etwas wie die gute Seele des Vereins. Nach 37 Minuten bebt dann das Moselstadion und auch Vera Dietz ein wenig. 1:0 für die Eintracht, Torschütze Thömmes.

Mit scharfem Blick und Feingefühl im Fuß hatte er Borussen-Torwart Klos per Heber überlistet. Vier Minuten nach der Pause folgt der nächste Auftritt. Einen Paß des Kollegen Richter jongliert Thömmes im Dortmunder Strafraum mit der Stirn am Borussen-Verteidiger Schneider vorbei, worauf der ihn von den Socken holt. Elfmeter, Marek Czakon verwandelt zum 2:0 – und die Fans kreischen „Ruudi“.

Schalke erlegt, Dortmund mit 2:1 erlegt, „Euro-Killer“ haben ihn die bunten Blätter getauft. Thömmes, das ist Eintracht Trier, jedenfalls in der Vereinfachung unter bundesweitem Interesse.

Für die Trierer ist die Eintracht mehr, „sogar für die Region“, wie Karl-Heinz Emig festgestellt hat. „Die Region ist hungrig, sie fiebert mit uns“, sagt der Trainer. Sensationserfolge im DFB-Pokal sind da prima Happen, aber das Wichtigste bleibt die Meisterschaft. „Der Aufstieg in die Zweite Bundesliga ist das große Ziel“, erklärt Präsident Hans-Joachim Doerfert. Der Pokal sei nur eine schöne, eine geldbringende und imagefördernde Nebensache.

Mit dem Namen Doerfert verbindet sich der Aufschwung der Eintracht. Der Vorstand der Caritas-Trägergesellschaft, die der größte Arbeitgeber ist in der Region Trier, hat den Klub vor dem finanziellen Ruin bewahrt und ihn derart konsolidiert, daß man nun mit einem Jahresetat knapp unter fünf Millionen Mark arbeiten kann. 99 Mitglieder zählte der sogenannte „Club 100“ (Jahresbeitrag 1.000 Mark) bis Dienstag. Die Zielmarke dürfte bald übertroffen sein. Doerfert wird in Trier als der „Retter der Eintracht“ verehrt.

Sportlich hat sich der Verbund mit dem Konkurrenten FSV Salmrohr zum 1. Juli dieses Jahres ausgezahlt, aus dessen Reihen drei der Pokalhelden vom Dienstag stammen: Rudolf Muchka, Werner Heinzen und – na, wer wohl: Rudi Thömmes.

Für den gelernten Maschinenbauer Thömmes, der einst beim ETuS Trier das Fußball- ABC lernte und danach bei der Eintracht mit 17 erstmals in der Oberliga spielte, ist die Rückkehr ein Stück Glück. Privat ist er am liebsten „Familienmensch“ und durfte sich mit seiner Ehefrau vor neun Monaten über die Geburt ihres Sohnes Dominik freuen.

Auf dem Platz vergißt er Harmoniestreben leicht. Daß er sich auch für die schnöde Arbeit nicht zu schade ist und dann und wann die Grasnarbe beackert im Sliding Tackling, das mehrt nur seine Wertschätzung. „Ruudi“ hallt es dann wieder durch die Arena. Und nur Vera Dietz legte die Stirn in Falten. „Und ich kann dann das Trikot wieder flicken“, grummelte sie, als Thömmes zur Freude der Galerie dem großen Kohler einen Ball wegspitzelte.

Läuft es im DFB-Pokal weiter so, kommt noch einiges auf Eintracht und Thömmes zu, das hat das Beispiel Cottbus gezeigt. Nur eines, das wird sich vermutlich nicht mehr einstellen: daß der Thömmes seine liebste Schlagzeile irgendwo wird lesen können: „Rudi Thömmes zu Schalke“.

Vielleicht hätte er ja die „Eurofighter“ nicht abschießen sollen vor fünfeinhalb Wochen. Aber dann hätte es auch das nicht gegeben: Dortmund als nächstes Opfer und das röhrende „Ruudi, Ruudi, Ruudi“. Ralf Mittmann, Trier