: Hi-Ha-Ho, Werder ist k.o.!
■ Bremens Grün-Weiße brauchen eine Frischzellenkur / Psyche im Eimer, Aufschwung vorbei, Werder wartet auf Andis Zeh Von Gastautor Peter Oldenburger
it höllischem Achterbahntempo sackte am börsenfreien Sonnabend jetzt auch die Werderaktie in den Keller. Gegen einen mit Spielkultur geizenden Hauptstadtclub fingen sich Sidkas Fußballarbeiter die erste Heimpleite. Weil alles schief ging, was auf dem grünen Rummelplatz schiefgehen kann. Die biedere Dame Hertha zockte die Punkte ab, weil die kopflos anrennenden Bremer zum vierten Mal in Folge kein Tor bejubeln durften. Ohne Verstärkung wird es nicht gehen, soviel ist sicher. Spielmacher und Torjäger verzweifelt gesucht.
Statt sich mit einem Sieg kurzfristig auf Platz sieben zu hieven, ist Werder abrupt im Rotlichtbezirk der Tabelle gelandet. Das grausame Mißverständnis zwischen Libero Trares und Keeper Reck nach gerade zehn Minuten brachte nicht nur den überraschenden Rückstand. Mit dem dummen Eigentor war das Nervenko-stüm der Grün-Weißen im Eimer, und den zunächst frohlockenden Werderfans verschlug es die Sprache. Zweimal hatte Bode da schon die Führung auf dem Fuß gehabt. Die folgenden 80 Minuten quakten nur noch die Hertha-Frösche. Aus der Ostkurve blieb die Antwort aus. Bremens zwölfter Mann, wohl vom trübseligen Kick gelähmt, verweigerte jeglichen Liebesbeweis. In anderen Stadien undenkbar!
Die Berliner spielten nun keck nach vorn, nutzen reihenweise Fehlpässe der Gastgeber aus und brachten doch selbst kaum was zustande. Einmal klärte Skripnik vor Preetz, der nach einer halben Stunde auch seine zweite Chance nach Paß von Tchami zum möglichen 0:2 versiebte. Wie für die Bremer war auch für die Röbertruppe spätestens am Strafraum Schluß mit lustig. Als dann Hendrik Herzog in Rambomanier den wendigen Brand kurz vorm 16er umsäbelte, hatte die rustikal agierende Abwehr den Bremern endgültig den Schneid abgekauft. Flo kam für Brand, konnte aber nicht annähernd überzeugen. Das Ballgeschiebe vor und zurück, dann quer und schließlich Rückpaß auf Reck ging weiter. Dessen Abschläge bedeuteten meist Ballverlust, die grausige Marotte wird sich Olli wohl nie mehr abgewöhnen.
Torchancen blieben Mangelware. Wenn nicht ein Fehlpaß, dann eine schlecht getimete oder planlos gezielte Flanke wurde mühelos abgefangen. Klare Chancen zum Ausgleich blieben bis auf einen Direktschuß von Todt nach einem selten schnell gespielten Paß von Trares kurz vor dem Pausentee aus.
Sidka stellte um, brachte Benken für den glücklosen Harttgen, dessen Position Trares einnahm. Mit Wicky als Libero ging die Aufholjagd erneut los. Besonders der Schweizer und Youngster Frings trieben nun die Grün-Weißen an, entfachten ein kurzes Strohfeuer. Hertha machte die Räume eng und lauerte nur noch auf Konter. Skripniks Kopfball wischte Hertha-Keeper Kiraly nach 50 Minuten über die Latte, Flo und Frings trafen die Pille nicht voll, Eilts in die Wolken und Trares gar ganz am Ball vorbei. Spätestens nach 70 Minuten war klar, nur himmlischer Beistand (Allerheiligen; sic!) könnte die drohende Niederlage abwenden. Im Herthablock war längst Party, als Sidka mit Ramzy für den schwachen Frey den letzten Joker zog.
Statt Jokertor zum Ausgleich für Werder verlängerte Preetz zwei Minuten vor Ultimo einen Kopfball des eben eingewechselten Kruse nach einer Ecke zum 0:2. Das war's. Vor der Presse glänzte Sidka dann mit der Weisheit, daß es nun nur noch darum geht, 40 Punkte zu ergattern. Ob das mit Skripniks Ex-Kollegen und Stürmer Sergej Rebroff von Dynamo Kiew, einem Podborski, Zitelli oder gar Kalle Pflipsen gelingen soll, ließ er am Sonnabend noch offen. Die Entscheidung dürfte aber bald fallen, wenn der Coach mit dem Präsidium die Köpfe zusammensteckt. Immerhin gehören die Kellerkinder Köln und Bochum zu den nächsten Gegnern. Gelegenheit, mit Punktesammeln die Nerven zu massieren und das Überwintern auf Abstiegsplätzen doch noch zu vermeiden.
Die wohl unwahrscheinlichste Entscheidung dürfte statt Spielerkauf ein Trainerwechsel sein – etwa mit Ex-Gladbach-Trainer Wolf Werner, der auch nach Spielschluß offensichtlich bei bester Laune war. Womit er sich nach dem trüben Gruselspiel klar als Exot outete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen