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Zweimal Brüssel und zurück Von Ralf Sotscheck

Peter Nolan fliegt mit seinem Freund Gary nach Brüssel. Das ist nicht besonderes aufregend, werden Sie denken. Ist es aber doch. Die beiden fliegen nämlich zum Fußballspiel zwischen Belgien und Irland in knapp zwei Wochen. Nur der Sieger darf an der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Frankreich teilnehmen. Da die irische Fluggesellschaft Aer Lingus bei solchen Gelegenheiten die Fans gerne melkt, hatte Peter einen Plan ausgeheckt. Er mußte die geflügelten Wegelagerer einfach überlisten.

Vor drei Wochen, genau um 16 Uhr, begann die Auslosung der vier Qualifikationsspiele. Für Irland kam einer von sieben möglichen Gegnern in Frage. Um fünf vor vier wählte Peter die Nummer von Aer Lingus, während Gary am Radio der Auslosung harrte. „Guten Tag“, sagte Peter, „ich möchte mit meinem Freund verreisen.“ Wann? Das stehe noch nicht fest. Entweder in zweieinhalb Wochen oder in fünf Wochen. Schließlich mußte er herausfinden, ob Irland zuerst zu Hause oder auswärts antreten müsse. Wohin? Das wisse er auch noch nicht so genau. „Vielleicht Rom“, meinte er vage, „vielleicht aber auch Moskau.“ Die Flugberaterin suchte die Angebote für die beiden Städte heraus. Peter schrieb alles genau auf. Da kam im Radio die Meldung, daß Rußland und Italien gegeneinander ausgelost worden seien.

„Ich habe es mir anders überlegt“, lenkte Peter seine Reisepläne in eine andere Richtung. „Rom und Moskau interessieren mich nicht. Wie sind denn die Angebote für Budapest? Oder Kiew?“ Und wieder warf die irritierte Flugscheinverkäuferin ihren Computer an und rasselte Flugzeiten und Preise herunter. „Nicht so hastig“, versuchte Peter Zeit zu schinden, da die Auslosung nur gemächlich vonstatten ging. Dann wurde klar, daß weder Ungarn noch die Ukraine gegen Irland ausgelost würden. „Vergessen Sie Kiew und Budapest“, erklärte Peter der verblüfften Aer-Lingus- Dame, die ihm gerade sämtliche Verbindungen diktiert hatte. „Ich hole mal einen Atlas“, stellte Peter ihre Geduld auf eine harte Probe.

Endlich zogen die Fußballbeamten Irland aus dem Hut. „Ich glaube, ich weiß, wohin ich will“, versuchte Peter die letzten Sekunden zu überbrücken. „Belgien“, tönte es aus dem Radio. „Nach Belgien“, rief Peter. „Zweimal Brüssel und zurück.“ Ob er auch ganz sicher sei, fragte die entnervte Kundenbetreuerin mißtrauisch. „Da hätten wir ein Sonderangebot“, fügte sie lustlos hinzu. „69 Pfund pro Person. Gilt aber nur freitags.“ Da müsse er sich erst mit seinem Reisepartner beraten, sagte Peter: „Ich rufe sofort zurück.“ Ein folgenschwerer Fehler.

Eine Minute später rief Peter wieder an. „Ach, Sie sind es“, erkannte ihn die Aer-Lingus-Angestellte auf Anhieb. „Ich habe gerade einen Zettel auf meinen Tisch bekommen. Der Flug kostet jetzt 640 Pfund.“ In ihrer Stimme lag ein wenig Häme, was man ihr kaum verdenken kann.

Peter erbleichte. Eine fast tausendprozentige Preissteigerung in 60 Sekunden? Die Aer-Lingus- Bosse hatten auch Radio gehört.

Peter und Gary nehmen nun die Eisenbahn durch den Eurotunnel via London. Rausgeschmissenes Geld. Das erbärmliche Gekicke der irischen Mannschaft ist nur am Kneipenfernseher mit viel Guinness genießbar.

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