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„One (wo)man, one vote“

■ betr.: „Eltern helfen Kindern zur Macht“, taz vom 24.10. 97

[...] Was für ein Demokratieverständnis kommt hier zum Ausdruck? Sentimentale Sozialpädagogen mögen wohl derartige Überlegungen begeistert begrüßen. Aber welche gefährlichen Weiterungen werden durch solch undurchdachte Äußerungen eventuell in die allgemeine verfassungspolitische Debatte getragen? [...]

Im Grunde wird hier von einer Sozialdemokratin ein uralter Hut aus der reaktionären Mottenkiste hervorgezaubert. Schon der Reichskanzler Bethmann-Hollweg bediente sich im Jahre 1916 (!) mit ähnlichen Argumenten dieses Vorschlages, um die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen zu hintertreiben. Kinderzahl, Bildung und Besitz sollten durch Zusatzstimmen honoriert werden. Frau Peschel-Gutzeit stellt mit ihrem Vorschlag nichts weniger als einen der fundamentalen Verfassungsgrundsätze unseres Gemeinwesens („one man, one vote“) in Frage!

Wenn dieser elementare Pfeiler unserer Staatsordnung fällt, damit angeblich die Interessen von Familien mit Kindern besser gewahrt werden, dann können demnächst auch die „Neoliberalen“ mit der Forderung kommen, das gute alte Dreiklassenwahlrecht, einen Wahlzensus oder Zusatzstimmen für potente Steuerzahler wieder einzuführen, da es nicht einsehbar wäre, daß arbeitslose Schmarotzer und Sozialhilfeempfänger, die keine Steuern zahlen, durch ihr Wahlrecht auf die Politik, zu deren Kosten sie nichts beitrügen, einen Einfluß nähmen, der ihnen in dieser Form nicht zustehe. Eine derartige „neoliberale“ Argumentation wäre übrigens nicht neu – wir kennen sie aus der Paulskirche bis hin zum Kaiserreich –, sie wäre auch rein logisch genauso vertretbar wie der Vorschlag von Frau Senatorin, zugunsten von Eltern die Gleichheit des Wahlrechts zu durchbrechen. Wenn an dieser Stelle erst einmal „das Faß aufgemacht“ wird, dann gibt es am Ende kein Halten mehr! Wehret also den Anfängen! [...] Friedhelm Grützner, Bremen

[...] Es ist wirklich abwegig, was Frau Peschel-Gutzeit da vorbringt. Mit einem „verstärkten Wahlrecht“ für diejenigen, die nichts weiter getan haben, als zu zeugen und zu gebären – das kann auch jedes Tier und die Katze, deren Mensch ich bin, erhält schließlich auch kein Wahlrecht bzw. darf ich für sie nur insoweit abstimmen, daß ich die Partei wählen kann, die mir in Sachen Tierschutz am stärksten zusagt –, werden alle frei- oder unfreiwillig Kinderlosen benachteiligt. Vor allem jenen, die unter unfreiwilliger Kinderlosigkeit leiden, ist dieses ein weiteres Indiz dafür, daß sie versagt und ihre gesellschaftliche Bringpflicht in Form eines Kindes nicht erfüllt haben. Und wer freiwillig und aus guten Gründen auf Kinder verzichtet, steht dann als verantwortungsloser Mensch da, ein Fossil zwischen denen, die durch eine von Frau Peschel-Gutzeit geforderte Änderung des Wahlrechtes unter Zeugungs- bzw. Gebärzwang stehen. [...] Kerstin Witt, Berlin

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