: Spanien, Schweiz, Schweden und das Schanzenviertel
■ Straßenschlacht um Laue-Häuser nach vergeblichen Verhandlungen / 15 Verletzte / Bankfiliale völlig zerstört
Zu heftigen Straßenschlachten zwischen der Polizei und der autonomen Häuserkampfszene kam es vorgestern Nacht in der Schanzenstraße. Nach offiziellen Angaben wurden 15 Polizisten leicht verletzt. Auf der Gegenseite gab es Verletzte durch den Einsatz von Hochdruckwasserwerfern. Festgenommen wurde niemand. In den frühen Morgenstunden des 2. Mai endete der Großeinsatz mit der Räumung der besetzten Wohnungen in der Kampstraße 6.
Die Hausbesetzeraktion in dem seit fünf Jahren leerstehenden Lauekomplex hatte am Nachmittag des 1. Mai begonnen (taz berichtete). Innerhalb kurzer Zeit errichteten Sympathisanten Sperren, kippten Bauwagen und Betonmischer um und türmten mit T-Trägern meterhohe Barrikaden auf.
Die Polizei setzte zunächst auf Verhandlungen. Würden die Barrikaden auf der Schanzenstraße bis zum nächsten Morgen abgebaut, so Reinhard Paltian, Leiter des Reviers Lerchenstraße, gegenüber GALierin Susanne Uhl, würde die Polizei die Straßensperren in der Kampstraße ignorieren.
Die jungen BesetzerInnen wollten aber lediglich die Zusicherung geben, den Barrikadenausbau einzustellen, wenn die Uniformierten Zurückhaltung übten. Das wollte wiederum die Polizei nicht zusichern. Die Besetzerinnen ließen nun über die GALierin der Polizei mitteilen, daß sie über den „Barri-Abbau“ verhandeln würden, wenn die Polizei die Zusicherung gebe, so lange nicht zu räumen, bis direkte Verhandlungen mit dem Eigentümer des Komplexes, Michael Backhuß, stattgefunden haben – der aber weilt in Spanien.
Diese Garantie konnte Herrmann nicht geben. „Herrmann hat erklärt, daß, sowie ein Strafantrag vorliegt, ihm die Hände gebunden sind und sich die Maschinerie nach den Hamburger Vorgaben – Räumung binnen 24 Stunden – in Bewegung setze.“ Sein Vorschlag: Die Besetzer sollten über ihren Anwalt Manfred Getzmann direkt mit dem Justitiar der Eigner Kontakt aufnehmen – jener hält sich zur Zeit in der Schweiz auf. Die Hoffnung auf eine Verhandlungslösung starb kurz vor Mitternacht: Auch Anwalt Getzmann war nicht erreichbar – er urlaubt in Schweden.
Eine Gruppe Autonomer suchte dann noch in der Nacht die Randale. Als gegen zwei Uhr Geschäfte zerdeppert und die Volksbank-Filiale in der Bartelsstraße völlig zerstört wurde, blies die Polizei zum Sturm. Polizeisprecher Werner Jantosch: „Wir können doch nicht wegsehen, wenn in Hamburg eine Bank überfallen wird.“
Von der Sternschanze her rückten drei Hochdruckwasserwerfer vor, die mit einem Steinhagel eingedeckt wurden. Ein Polizei-Panzerwagen machte die ersten Barrikaden platt und ebnete so den Weg für das behelmt-beschilderte Fußvolk, ein Spezialbagger des Bundesgrenzschutzes räumte die schweren T-Träger und Bauwagen sowie die brennenden Barrikaden zur Seite: Nach knapp zwei Stunden war das polizeiliche Spektakel zu Ende – die Schanzenstraße war wieder barrikadenfrei.
Gegen sechs Uhr morgens dann Part zwei: Wiederum mit dem Schaufelbagger wurde nun die solide Sperre an der Kamp-/Sternstraße durchstoßen, während Polizisten von hinten die mutmaßlich besetzen Wohnungen in der Kampstraße 6 stürmten. Doch die BesetzerInnen hatten bereits in der Nacht das Weite gesucht, so daß niemand dingfest gemacht werden konnte.
Ohne Konfrontation ist dagegen der Konflikt um das räumungsbedrohte Haus Sternstraße 107 beendet worden. Die Häusergruppe zog am Wochenende in das Haus Kampstraße 7 um und bekam von den Eigentümern einen Neun-Monatsvertrag. Option: Wenn bis dahin mit den Sanierungsträgern „Stattbau“ und Stadterneuerungsgesellschaft ein schlüssiges Nutzungskonzept erarbeitet worden ist, soll auch dauerhaftes Wohnen garantiert werden.
Kai von Appen
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