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Gleichgewicht bewahren

Die Weisheit vom langen Leben: Ayurveda, die uralte, sanfte Heilmethode der Inder, erobert den gestreßten Westeuropäer  ■ Von Mechthild Klein

Bücher und Tees, Gewürzmischungen und Nahrungszusätze, Massageöle und nicht zuletzt einige tausend Mark teure Kuren – Hilfe für den gestreßten Westeuropäer. Ayurveda (Sanskrit: das Wissen vom langen Leben) heißt das Zauberwort, gepriesen als sanfte, jahrtausendealte Weisheit der Inder. Und der letzte Schrei für alle, die auf Naturheilkunde schwören?

Ein kompliziertes und faszinierendes Weltbild steht hinter der traditionellen indischen Medizin, die heute noch mehr als 70 Prozent der medizinischen Versorgung in Indien und Sri Lanka ausmacht: Der Mensch und das Universum stehen in direktem Zusammenhang und spiegeln einander wider. Die fünf Elemente des Kosmos (Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther) präsentieren im Ayurveda Eigenschaften und Wirkungsweisen, die auch im Menschen zusammentreffen. Dem Element Erde werden etwa die Eigenschaften kühl und schwer zugeordnet. Als Strukturgeber für den menschlichen Körper steht es für Widerstandsfähigkeit und soll im ausgeglichenen Zustand Ausdauer, Vitalität und Gelassenheit verleihen.

Dem Feuer werden die Eigenschaften scharf und heiß zugesprochen und im Körper Stoffwechsel und Verdauung. Im Idealzustand steht das Element für Intelligenz und Gefühl. Luft wiederum als leichtes, bewegliches Element wird mit der Atmung und dem Nerven- und Ausscheidungssystem in Verbindung gebracht und bedeutet Klarheit und Aktivität. Die Elemente manifestieren sich im Menschen in drei Typen oder Regulationssystemen, genannt Doshas. Diese drei Prinzipien (Vata, Pitta, Kapha) wirken in unterschiedlichen Konzentrationen und bestimmen die Funktionsweise des Organismus.

Ein geübter Arzt kann mittels Pulsdiagnose den genauen Typus des Patienten bestimmen. Denn anhand der Gewichtung der Prinzipien neigen die Vata-, Pitta- oder Kapha-Typen auch zu spezifischen Krankheiten. Selbst das emotionale Verhalten ist auf die spezielle Gewichtung zurückzuführen. Ziel aller Behandlungen ist es, das Gleichgewicht im Verhältnis der Doshas wiederherzustellen.

Während in Indien mit Ayurveda ein breites Spektrum von Krankheiten, vor allem psychosomatischer Ausprägung, behandelt wird, richtet sich die westliche Wohlstandsvariante mehr an spirituell eingestellte, psychisch und physisch Erschöpfte, die sich mal was Gutes gönnen wollen. Am bekanntesten ist im Westen die sogenannte Panchakarma-Therapie. In einer mehrere Tage oder sogar Wochen umfassenden Behandlung sollen Schlacken im Körper gelöst und ausgeschieden werden. Durch spezielle Diäten, Dampfbäder und Ölanwendungen werden die Giftstoffe aus dem Gewebe geschwemmt und durch fünf Behandlungen (pancha = fünf, karma = Tätigkeit) aus dem Körper herausgeführt. Je nach Diagnose kommen Abführen, Reinigung von Stirn- und Nasennebenhöhlen oder Blutreinigung in Frage. Auf das besonders drastische Erbrechen wird hierzulande noch verzichtet.

In Deutschland ist der Ayurveda-Markt allerdings fest in der Hand der Anhänger der Transzendentalen Meditation. Nach ihrem Begründer Guru Maharishi Mahesh Yogi nennen sie ihr Angebot folgerichtig Maharishi Ayurveda. In Hamburg hat das Maharishi AyurVed Gesundheitszentrum seinen Sitz in der Rothenbaumchaussee 26. Dessen Leiter, der Allgemeinmediziner Dietrich Wachsmuth, ist stolz auf die Reinheit der Lehre: „Unser Ajurveda geht auf die Überlieferung der alten Rishis (Seher) Indiens zurück.“

Diese originäre Tradition hat ihren Preis. Für eine dreitägige Reinigungskur mit Diagnose, Ernährungsberatung, Ölmassagen und Wärmeanwendungen müssen immerhin rund 1600 Mark auf den Tisch gelegt werden. Die zweieinhalbstündige Probebehandlung mit großer Ölmassage kostet 295 Mark, eine Woche Kur zwischen 2800 bis 3400 Mark. Zumindest vom Preis her richtet sich Mahari-shi Ayurveda offenbar mehr an den gestreßten Großverdiener.

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