■ Die Anderen: Der Wiener "Standard" zur Rolle von Schröder und Lafontaine auf dem SPD-Parteitag / "Liberation" schreibt zum selben Thema / "Le Figaro" kommentiert den Beginn des SPD-Parteitages / "Corriere della Sera" zur Lage der SPD
Der Wiener „Standard“ schreibt zur Rolle von Schröder und Lafontaine auf dem SPD-Parteitag: Die SPD- Wahl zwischen Schröder und Lafontaine wird medial als eine Wahl zwischen Rechts und Links hochstilisiert, ohne daß sich jemand die Frage stellt, ob es in der SPD überhaupt noch Linke gibt. Das Problem liegt anderswo: Umfragechampion Schröder weiß, daß er ohne die Partei nicht Kanzler werden kann. Funktionärsliebling Lafontaine ist klar, daß die Partei allein nicht genügt, um Kohl zu beerben. So wird der Wunsch nach Eintracht auf dem SPD-Parteitag wohl in Erfüllung gehen: Weder Schröder noch Lafontaine sind derzeit stark genug, um den anderen auszuhebeln. Die taktischen Spielereien werden weitergehen.
„Libération“ schreibt zum selben Thema: Die Karikaturisten haben ihren Spaß: Die SPD, so sagen sie, hat ihren Blair und ihren Jospin. Gerhard Schröder, der hübsche Kerl, umschwärmt von den Medien, wäre demnach der „Modernisierer“, die Verkörperung des entschlossenen Sozialdemokraten, versöhnt mit der Wirtschaft à la Tony Blair. Oskar Lafontaine, der etwas glanzlosere Vorsitzende der SPD, wäre demnach der „Wächter“ eines traditionelleren Sozialismus à la Jospin. Das Drama der deutschen sozialdemokratischen Partei ist, daß sie sich nicht zwischen diesen beiden Modellen entscheiden kann. Die Rivalität zwischen diesen beiden Männern wird das alles beherrschende Thema des Parteitags in Hannover sein.
„Le Figaro“ aus Paris kommentiert den Beginn des SPD-Parteitags: Oskar Lafontaine, der preisgekrönte Jesuitenschüler mit Physikdiplom, und Gerhard Schröder, der mit Abendkursen seinen Juraabschluß machte – die beiden Männer sind die beiden potentiellen Kandidaten der deutschen Linken für das Kanzleramt. Zusammengeschweißt durch denselben Kampf gegen Helmut Kohl, achten die beiden SPD- Führer darauf, nun keinen Fauxpas zu begehen. Im Moment halten sie den Nichtangriffspakt ein. Allerdings wird Schröder angesichts der wachsenden Beliebtheit seines Rivalen unruhig. In der vergangenen Woche erklärte er, es werde kein „Ticket Lafontaine- Schröder“ geben. Die Nummer zwei der SPD hat keineswegs die Absicht, sich an einer Regierung Lafontaine zu beteiligen.
„Corriere della Sera“ aus Mailand schreibt zur Lage der SPD: Monatelang versuchte die SPD, beide Karten auszuspielen. Schröder und Lafontaine posierten Seite an Seite auf den ersten sozialdemokratischen Wahlplakaten. Dies ist der schlaue Versuch, gleichzeitig die traditionellen Anhänger und die Wähler der Mitte zu locken, die Schröder attraktiv finden. Doch auch die Ambitionen Lafontaines sind gestiegen. Auch wenn alle Umfragen gegen ihn sprechen, so gelingt es ihm doch immer weniger, seine Lust, es noch einmal zu probieren, zu verschleiern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen