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Kanzler schnorrt Stimmen

■ Entscheidung für Tabakwerbeverbot in der EU? Kanzler Kohl stimmt Spanien um

Brüssel (taz) – Auf dem EU- Gesundheitsministerrat zeichnete sich gestern abend eine Einigung über ein totales Verbot der Tabakwerbung ab. Bei den letzten strittigen Fragen gab es zunehmende Annäherung. Großbritannien kam seiner Forderung nach langen Auslaufzeiten für Sponsoring-Verbot für die Formel-1-Rennen näher. Das letzte Angebot betrug acht Jahre, während die Briten neun Jahre verlangten. Griechenland erhielt eine Ausnahmeregelung für seine Zeitungs- und Tabakkiosks, an denen weiter geworben werden dürfte.

Die von Deutschland geführte Ablehnungsfront könnte so überstimmt werden. Gegen das Verbot ist nun nur noch Österreich. Spanien und Dänemark wollten sich enthalten.

Gestern vormittag hatte dagegen zunächst Spanien seine Position geändert und sich in die Reihen der Gegner einer strengeren EU-Richtlinie eingereiht. Kanzler Helmut Kohl soll den spanischen Regierungschef José Maria Aznar am Telefon persönlich um die zehn spanischen Stimmen angeschnorrt haben. Dabei habe er ihn über die enorme Bedeutung der Kippenwerbung für Zeitungen, Werber und die Tabakindustrie aufgeklärt. Ob er auch die gefährdeten Arbeitsplätze in der Oggersheimer Nachbarschaft am Nürburg- und Hockenheimring erwähnt hat, ist nicht überliefert.

Jedenfalls spielen Autorennen bei der Diskussion eine zentrale Rolle. Weil die Rennveranstaltungen zu einem Drittel von der Zigarettenwerbung leben, sind auch andere Regierungen zögerlich oder wollen zumindest Ausnahmen vom Werbeverbot erreichen. Für Gesundheitsminister Horst Seehofer ist das ein Hauptgrund für seine Abneigung. Das Werbeverbot sei in sich widersprüchlich, sagte er gestern in Brüssel, zum einen wegen der geplanten Sonderbehandlung der Rennfahrer, zum anderen, weil die EU gleichzeitig den Tabakanbau mit zwei Milliarden Mark sponsert. Warum er das als Gesundheitsminister nicht energisch bekämpft, sagte Seehofer nicht. Alois Berger

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