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Lehrstellen-Not schrumpft zur Krise

■ Wirtschaft steigert Lehrstellen-Angebot – auf das Niveau von 1994 / Vollschulische Ausbildungsplätze bleiben frei

Die ganz große Ausbildungsplatz-Katastrophe ist in diesem Jahr an Bremens Jugendlichen vorbeigegangen. Im Frühjahr habe die Situation „deutlich bedrohlicher“ausgesehen als sie jetzt geworden sei, räumte gestern in der Bürgerschaft selbst der Oppositionspolitiker Helmut Zachau (Grüne) ein. Dennoch dürften noch mindestens 400 Schulabgänger im Lande Bremen ohne Ausbildungsplatz sein. Genaue Zahlen für die Zeit nach dem 30. September, als noch 669 junge Leute auf der Suche waren, liegen nicht vor. Im Frühjahr war jedoch noch von mehr als 1.000 Unversorgten die Rede gewesen.

Die Betriebe in Handel und Industrie haben nach Angaben der Bremer Handelskammer 2.692 Ausbildungsverträge abgeschlossen, 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Handwerk fanden in Bremen und Bremerhaven insgesamt 1.549 Jugendliche eine Lehrstelle, eine Steigerung von 4,5 Prozent. Allerdings hat die Wirtschaft nur den Einbruch der vergangenen Jahre wettgemacht und bewegt sich mit ihrem Lehrstellenangebot unter dem Niveau von 1994.

In der Bürgerschaft unterstrich Peter Sörgel (SPD) daher die Forderung seiner Partei nach einer Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe, die keine Azubis einstellen. Der Grüne Zachau forderte, die Systeme der Berufsausbildung strukturell zu verändern, um nicht jedes Jahr wieder den Ausbildungsnotstand ausrufen zu müssen.

Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) will künftig mit besserem statistischem Abgleich des Angebots mit den Bedürfnissen der Bewerber, frühzeitiger Beratung der Schüler der Sekundarstufe I und der Förderung von Ausbildungsverbünden gegensteuern. Außerdem sollten in Betrieben mit bremischer Beteiligung mehr Ausbildungsplätze angeboten und ausländische Geschäftsinhaber zur Ausbildung ermuntert werden.

Das im Oktober von der Bildungsbehörde aufgelegte Notprogramm mit 376 vollschulischen Ausbildungsplätzen wird unterdessen nur zögerlich angenommen. Noch sind nach Angaben der Behörde 129 Plätze nicht besetzt. Zwei Kurse für Bürokaufleute wurden mangels Bewerber gestrichen. Für den Grünen Zachau kein Wunder, schließlich bekommen die Teilnehmer dieser Kurse kein Geld. CDU-Mann Uwe Siefert forderte die Jugendlichen auf, sich auch ohne Bezahlung ausbilden zu lassen, um später nicht in der Arbeitslosigkeit zu landen. jof

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