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Die Frau als Gefäß und Behältnis

■ Bernd Guggenbergers „Einfach schön“ wiederholt alle Klischees über weibliche Schönheit

Der Mann ist ein Provokateur, zweifellos. Er kennt seine Pappenheimerinnen der political correctness, und er scheut sich nicht, ihnen auf die alternden Finger zu klopfen. Bernd Guggenberger, Politologie-Professor und Ästhet aus Berlin, hat ein Buch über Schönheit geschrieben – über weibliche Schönheit, denn der Schönheit Geschlecht ist nicht nur in der Grammatik weiblich, wie er scharfsinnig sprachphilosophiert.

Er steht zur Schönheit, zur weiblichen, und hat den „Schönheitshassern“ den Kampf angesagt. Vor allem die Moderne mit ihrem Egalitätsdiktat führe den „lang anhaltenden, gnadenlosen Krieg wider die Schönheit“ fort, weshalb diese ein prä- oder postmodernes Phänomen sei, undemokratisch, autark, subversiv. Seit' an Seit' mit der Diktatorin Moderne fechten all die Neidischen, die ob ihrer Häßlichkeit verbittert sind und deshalb die Existenz der Schönheit schlichtweg leugnen.

Stellvertretend für solche muß Naomi Wolf mit ihrem Buch Der Mythos Schönheit (Reinbek 1991) herhalten. Ihre These ist, daß das weibliche Schönheitsideal das Instrument des Patriarchats sei, die Frau, die sich ökonomisch weitgehend befreit hat, weiterhin zu unterwerfen. Hierzu beruft sich Wolf auf das inzwischen ins Alltagswissen durchgesickerte Bewußtsein um die Relativität der Schönheit und deren Konstruiertheit. Schön ist, sagt sie, was die Männer dazu erklärt haben. Weibliche Mittäterinnenschaft nicht ausgeschlossen.

Quark, meint Guggenberger: Es gibt eine epochen- und kulturraum-übergreifende „Macht bezwingender Schönheit“, und Helena, Nofretete, Kleopatra und Marilyn Monroe sind zu allen Zeiten und überall schön.

Und jetzt alle festhalten: Es sind die Emanzen, die die Frauen unterdrücken! Während nämlich „das wirkliche Verhalten der großen Mehrzahl der Frauen“ Zeugnis davon ablegt, daß sie alle schön sein wollen, drücken die „feministisch inspirierten“ selbsternannten Sprecherinnen den Ärmsten eine „Norm“ auf, die ihnen einreden will, „der lüsterne Männerblick, der sich ans netzstrumpfbewehrte Frauenbein heftet“, sei „nur lästige männliche Zudringlichkeit“! Ja, wo kommen wir denn da hin! Heuchelei allerorten! Solche Frauenbeine wollen doch angeschaut werden!

Und da verordnen diese Dogmatikerinnen tatsächlich „geradezu die Zurücknahme und Verleugnung des Geschlechtswesens der Frau, jedenfalls in jenen Formen, mit denen – horribile dictu – auch Männer etwas anfangen können“. Da hält er es doch mit den „Girlies“, die „wieder lolitablond (...) treuherzig zum Manne aufschauen, dabei aber lässig und wie beiläufig den trainierten Arm mit der Peitsche spielen lassen.“ Als wären derlei Vorstellungen einer süßen Tyrannin neu.

Guggenberger ist noch nicht aufgefallen, daß Netzstrümpfe weder für ihn noch für alle Männer angezogen werden, sondern nur innerhalb des Milieus ihrer Trägerin Bedeutung haben. Ebenso mag menschliche Schönheit jenseits patriarchaler Herrschaft durchaus existieren, Inhalt hat der Begriff jedoch nur innerhalb einer Szene, eines Milieus, das über seine eigene „Sprache der Schönheit“ verfügt.

Aber Guggenberger will die Frauen auch überhaupt nicht aus der Gefangenschaft männlicher Projektionen und Phantasien entlassen. Der Frauenkörper, und mit ihm die Frau, wird – kraft seiner größeren Schönheit und der „realen Reproduktionsfunktion“ gemäßen Natur als weiches, rundes, bauchiges „Gefäß, Behältnis, Behausung“ (steht da wirklich!) – immer Objekt bleiben, der gaffende Mann immer Subjekt.

Frauen begehren nicht den Mann, sie begehren sein Begehren. Soll heißen: Mangels Subjektstatus kann die Frau die männliche Aktivität nur spiegeln, niemals selbst agieren. Noch einmal auf biblisch: „Sie erkennen bei ihm, daß er sie ,erkennt'. Und als ,Erkannte' können sie sich selbst erkennen.“

Wir ahnen es schon: Das Buch ist ein böser Rückfall. Aber es ist ehrlich und schlicht. In Guggenbergers Universum gibt es erstens: Männer und Frauen, zweitens: Schöne und Häßliche und drittens: Wahrheit und Heuchelei. Wie allerdings Guggenberger zu seinen Kategorien kommt, bleibt ein Mirakel. Ebenso rätselhaft ist, wer da im Hamburger Rotbuch-Verlag, sonst Herausgeber eher emanzipativer Literatur, gepennt hat und das Buch drucken ließ.

Daß Guggenberger selbst nicht zu „Aphrodites Auserwählten“ zählt, ist dem Foto im Umschlag abzulesen. Aber welches ist denn die Schönheits-Elite, wo die Masse der Häßlichen? Warum ist die „soziale Macht der Schönheit“ das letzte gesellschaftliche Tabu, wie er mit Sloterdijk behauptet?

Natürlich ist die Verteilung der gesellschaftlich als solche anerkannten Schönheitsmerkmale ungerecht. Selbstverständlich werden „schöne“ Menschen in der Regel bevorzugt, aber das ist kein Geheimnis, sondern in jeder Brigitte nachzulesen. Aber selbst wenn wir Guggenberger seine Enthüllungs-Attitüde lassen: Muß er uns dann mit allen Klischees dieser Welt quälen? „Mysterium“ Schönheit, „natürliche“ Schönheit, Oberflächlichkeit des Schönheitskultes, Schönheit in der Werbung, die Schönheit des „hohen, festen Busens“ (den er den „wabbeligen Hängebrüsten“ vorzuziehen gesteht), die „leblose“ Schönheit der Models und so weiter und so fort.

Den Frauen, die sich seit langem bemühen, solcherlei Stereotypen auseinanderzunehmen, wirft er ebenso klischierte „Larmoyanz“ und Pflege der weiblichen Opferrolle vor. Dabei sei doch niemand so mächtig wie die schöne Frau, niemand so unterworfen wie der danach gierende Mann, und überhaupt: Schon mal was von Männerfeindlichkeit gehört? Eben.

„Vielleicht sollte ja auch einmal die Rede davon sein, daß in dieser Gesellschaft auch viele Männer unglücklich sind, leiden (...) und daß der Job des ,Ernährers' alles andere ist als Honigschlecken“. Und ist das wirkliche Opfer des Schönheitsdiktats nicht der Mann, dem die Allgegenwart der Claudia Schiffers und Julia Roberts, die er nicht haben kann, nichts als „Frust und Demütigung“ einbringt, wenn er „mit seinen überschießenden Erwartungen allein bleibt“?

Während das Mitleid uns schüttelt, fällt es schwer, sich noch auf die – zugegeben: locker verstreuten – ernstzunehmenden Passagen des Buches zu konzentrieren. Da sind zum Beispiel theoretische Einsprengsel über objektive und subjektive Ästhetik: Steckt die Schönheit im Gegenstand oder im Auge des Betrachters? Oder auch der Ausflug in die Historie: Wann galt Schönheit als Ausweis des Guten und Wahren, wann wurde sie verteufelt? Und die Soziologie der Schönheit: Wie kommt es, daß, gemessen an den gesellschaftlichen Standards, so oft Menschen der gleichen Schönheits-„Preisklasse“ zueinanderfinden?

So viele Fragen, und Guggenbergers Buch birgt jenseits platter Alltagspsychologie keine Antwort. Wäre er nur beim Vorwort geblieben! „Dies ist“, schreibt er dort, „ein ,überflüssiges' Buch“. Leider kokettiert er nur, denn ebenso überflüssig sei es, „für Minuten oder Stunden einem Sandkäfer zuzuschauen“, soll heißen: höchst sinnvoll und notwendig.

Sandkäfer sind aber spannender.

Ulrike Winkelmann

Bernd Guggenberger, Einfach schön, Hamburg 1995, 290 Seiten.

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