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Karotte kämpft für Senator Thomas Mirow

■ Wohngruppe meldet Ansprüche auf Gründerzeit-Gebäude in der Budapester Straße an

Die Besetzung dauerte nur vier Stunden. Am Freitag abend, gegen 22.30 Uhr, nahmen rund 70 junge Leute das Haus in der Budapester Straße 8 von innen in Augenschein. Gegen zwei Uhr nachts zogen die Kurzzeit-BesetzerInnen wieder ab, nachdem Sprinkenhof-Chef Karl-Heinz Ehlers Strafantrag gestellt hatte, und die aufmarschierte Polizei mit Räumung drohte. Doch auch nach dem Ende der friedlichen Besetzung steht fest: Der Streit um die Zukunft des seit Anfang der 80er Jahre leerstehenden Gebäudes geht weiter.

Unter dem Motto „Senator Mirow, wir kämpfen für Sie!“ erinnerten die BesetzerInnen aus dem Umfeld der „Wohngruppe Karotte“ den Chef der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) an sein Versprechen, „preiswerten Wohnraum“ zu sichern, wo immer das möglich sei. Die Wohngruppe ohne Wohnort, die sich bereits erfolglos darum bemüht hatte, in der Karolinenstraße 26 ein alternatives Wohnprojekt zu etablieren, hält das Gründerzeit-Gebäude in St. Pauli „für bewohnbar und erhaltenswert“.

Sie steht damit nicht allein: Peter Illies, behördlicher Stadtplaner im Bezirk Mitte, plädiert ebenfalls für die Instandsetzung des Hauses, dem in der Begründung des gültigen Bebauungsplanes „eine bemerkenswerte Bedeutung als historischer Rest- und Merkposten im Stadtbild“ attestiert wird. Illies will allerdings eher ein Seniorenheim als ein alternatives Wohnprojekt in dem vierstöckigen Haus unterbringen. Doch jede Neunutzung wird durch die städtische Sprinkenhof AG, die das Gebäude verwaltet, konsequent blockiert. Eine Instandsetzung sei nicht finanzierbar, so Sprinkenhof-Chef Ehlers: „Der Abriß muß endlich genehmigt werden.“ Da Ehlers nicht renovieren und der Bezirk nicht abreißen will, vergammelt das Haus langsam, aber stetig. Daß so endgültige Fakten geschaffen werden, könnte allenfalls Thomas Mirow verhindern. Dessen Behörde stehen im Rahmen der „Alternativen Baubetreuung (ABB)“ Finanzmittel zur Sanierung von verfallsbedrohten Gebäuden, die anschließend durch alternative Wohnprojekte genutzt werden, zur Verfügung.

Problem dabei: Seit Anfang des Jahres bunkert die Steb unter dem Motto „Alles für die Hafenstraße“ ihre ABB-Mittel, um die Etablierung von Hamburgs prominentestem Wohnmodell nicht noch an Finanzierungsfragen scheitern zu lassen. So könnte die Sprinkenhof-Rechnung, eine Sanierung der Budapester Straße durch systematischen Verfall des Hauses zu verhindern, aufgehen, wär' da nicht die „Karotte“. Denn die verspricht, daß ihre Kurzzeit-Besetzung nicht die letzte Aktion zur Rettung des Gründerzeit-Gebäudes sein wird.

Marco Carini

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