: Für eine dufte Kindheit
■ Parfüm-Hersteller wollen schon Babies und Kinder in Duftwolken hüllen Das ÖKO-TEST-Labor fand in den Kinderdüften bedenkliche Stoffe
Umfragen zufolge benutzen bereits 22 Prozent der Sechs- bis 17jährigen in Deutschland mehrmals pro Woche ein Duftwasser. Ob die Verwendung von Parfüms schon bei Kindern und Jugendlichen zur Körperpflege gehört, beantwortet sogar knapp die Hälfte der Jungen und deutlich mehr als die Hälfte der Mädchen mit einem klaren „Ja“. Von der Kosmetikindustrie erwarten sie laut Fachzeitschrift Parfümerie aktuell preiswerte, umweltfreundliche Produkte, die innovativ und verträglich sein sollen.
Keins der Produkte erfüllt diesen Anspruch. ÖKO-TEST hat jetzt 24 Kinderparfüms getestet. Bis auf zwei Duftwässerchen haben sie so viele gesundheits- und umweltschädliche Inhaltsstoffe in sich, daß sie von uns die Note „nicht empfehlenswert“ verliehen bekamen. Zumindest „eingeschränkt empfehlenswert“ ist das Naf Naf-Parfüm (S.B.I), dagegen „weniger empfehlenswert“ das Spinnrad Eau de toilette La-Le-Lu.
Die meisten Hersteller verzichten weder auf den Einsatz von künstlichen Moschus-Verbindungen noch auf anrüchige Vergällungsmittel. Häufig waren auch bedenkliche Emulgatoren vertreten, seltener allergisierendes Formaldehyd.
Bereits im Oktober 1993 hatte der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) dem Bonner Gesundheitsministerium zugesichert, auf den Einsatz von Moschus-Xylol zu verzichten. In japanischen Tierversuchen hatte der Stoff bei Mäusen Krebs erzeugt. Im vergangenen Jahr hatten sich die Riechstoff-Hersteller zudem auf internationaler Ebene darauf geeinigt, den Stoff Moschus-Ambrette nicht mehr einzusetzten. Denn er gilt als nerven- und erbgutschädigend.
Trotzdem haben wir in vier Produkten noch Moschus-Xylol oder Moschus-Ambrette gefunden. Die meisten anderen Düfte enthielten Moschus-Keton. Wir werten auch sie ab, weil sie von der Struktur her mit den Moschus-Verbindungen verwandt sind und niemand sagen kann, welche besser oder schlechter sind.
Es gibt auch natürlichen Moschus-Duft. Doch darauf umzusteigen ist keine Alternative, denn der Moschushirsch, aus dessen Drüsensekret der Riechstoff gewonnen wird, ist inzwischen vom Aussterben bedroht. Die Kosmetikindustrie rückte ihm zu sehr auf den Pelz.
Um die Kosten niedrig zu halten, wird Alkohol für Kosmetika mit dem anrüchigen Diethylphthalat vergällt. Der künstlichen Substanz wird zwar inzwischen in etlichen Untersuchungen Unbedenklichkeit bescheinigt, doch es gibt auch Studien, die zur Vorsicht mahnen: Hautuntersuchungen zeigten, daß Diethylphthalat von der menschlichen Haut aufgenommen wird und ihren Schutzmechanismus beeinflußt. Mit Alkohol zusammen löste die Substanz Hautirritationen, Juckreiz und Ekzeme aus.
Auch Alkohol habe in einem Kinderparfüm nichts zu suchen, sagt Thomas Schlicht vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz. In den meisten Duftwässern aus deutscher oder französischer Produktion wurde der sonst übliche Alkoholanteil jedoch lediglich von etwa 80 Prozent auf 30 bis 65 Prozent gesenkt.
„Der Gesetzgeber sollte die Kinderparfüms einfach verbieten“, fordert Marianne Stock. Die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind hält die gesamte Produktgruppe für „Mist“. Der eigene Körpergeruch werde verfremdet, der Geruchssinn frühzeitig beeinträchtigt. Besondere Vorsicht ist bei Kindern angezeigt, die entweder schon Hautprobleme haben oder erblich vorbelastet sind. Bei ihnen sollte auf die Anwendung parfümierter Kosmetika grundsätzlich verzichtet werden.
Auch der „kindgerechte“ Lippenstift oder Lidschatten tut nicht not. Wenn Kinder mal Lust haben, sich zu schminken, können sie in den elterlichen Schminktopf greifen. Es ist ohnehin empfehlenswert, gerade Kleinkinder beim Schminken im Auge zu behalten, damit sie die zum Teil appetitlich aussehenden Farben nicht aufessen. ÖTM
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