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Offensive für Ökosteuer

■ Handwerker wollen die Ökosteuer / Grüne auch /Positionen nähern sich an Von Florian Marten

500.000 neue Arbeitsplätze verspricht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Johannes Merck, Abteilungsleiter beim Otto-Versand, schwärmt von den Vorzügen, die „eine Entlastung bei den Arbeitskosten kombiniert mit einer stärkeren Berücksichtigung der Umweltkosten“ bringen würde. Die Ökosteuer ist, ganz subversiv, im Vormarsch. Immer mehr norddeutsche Wirtschaftsführerinnen, Verbandsfunktionäre, und PolitikerInnen haben sich mit dem Gedanken an eine grundlegende Steuerreform rund um eine satte Energiesteuer längst angefreundet. Zwar ist noch nicht absehbar, wann die Bonner Politik den Ökosteuerzug wirklich anrollen läßt – auf Dauer aufzuhalten ist er aber nicht wohl nicht mehr.

Hinter den Kulissen wird von den verschiedenen Gruppen längst nicht mehr über das Ob, sondern fast ausschließlich um das Wie gerungen. Dabei zeichnet sich von Grün bis Wirtschaft eine immer stärkere Annäherung der Standpunkte ab. So debattierten letzte Woche grüne ExpertInnen in Hamburg den jüngsten Vorschlag des bündnisgrünen Rainder Steenblock für die Bundestagsfraktion – der inzwischen fast genau den Ökosteuerpositionen der Handwerkskammer Hamburg entspricht. Folgender Ökosteuerkonsens ist in Sicht:

Die Ökosteuer macht das Benzin schrittweise, aber deutlich teuer, sie belastet den Primärenergieverbrauch und bestraft den CO2-Austoß. Sie wird schrittweise, dafür aber in einem genau festgelegten und damit berechenbaren Ausmaß eingeführt, zum Beispiel über zehn Jahre, wie es die Grünen jetzt fordern. Wollten die Grünen die Einnahmen der neuen Steuer früher hauptsächlich zur Subvention von ökologischen Projekten nutzen, so steht jetzt der „Lenkungseffekt“ immer stärker im Vordergrund: Die Einnahmen sollen zum größten Teil zur Senkung der Einkommenssteuer und zur Reduzierung von Lohnnebenkosten verwendet werden.

Genau diese Position vertritt auch die Handwerkskammer Hamburg, der es gelang, ihre für Wirtschaftslobbys schon fast revolutionären Steuerideen inzwischen zur gemeinsamen Sache aller 19 norddeutschen Handwerkskammern zu machen. Kammervolkswirtschaftler Axel Chmielewski: „Wir haben uns intensiv mit den Möglichkeiten einer Senkung der für arbeitsintensive Branchen besonders problematischen Lohnnebenkosten beschäftigt. Als Steuerbemessungsgrundlage dient zu 60 Prozent die Arbeit – gleichzeitig verbrauchen wir zuviel an Umweltressourcen.“

Einnahmen aus Ökosteuern sollen laut Kammer auch für Sozialausgaben genutzt werden, die derzeit zu Unrecht den Sozialversicherungssystemen aufgeladen sind. Laut Kammerchef Jürgen Hogefoster werden heute 50 Prozent der Einnahmen aus der Renten- und der Arbeitslosenversicherung „versicherungsfremd eingesetzt“. Kurz: Um den Handwerkerstandort Deutschland zu schützen und die deutschen Sozialsysteme zu retten, braucht es die Ökosteuer. Hogefoster augenzwinkernd: „Noch stehen wir mit dieser Position ziemlich allein.“

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