: Blitzartige Schadensbegrenzung
Norddeutsche Affinerie: Bilanz gut, Arbeitsplatzsicherheit schlecht ■ Von Kai von Appen
„Wir haben sehr hervorragend gearbeitet.“Mit beschwörenden Worten betrieb Werner Marnette, Chef der Norddeutschen Affinerie (NA), auf einer Blitz-Pressekonferenz gestern Schadensbegrenzung. Als habe es keine Medienberichte über den Abbau von 700 Arbeitsplätzen gegeben, versuchte er die „Botschaft rüberzubringen“: Die Kupferhütte stehe im „internationalen Oberhaus“. Durch ein Investitionsvolumen in Höhe von 220 Millionen Mark sei der Standort Hamburg gesichert, auch die Arbeitsplätze seien nicht in Gefahr.
Marnette machte keinen Hehl daraus, wie wenig erfreut er darüber war, daß das Unternehmenskonzept „Vision NA 2000" vor Verabschiedung durch den Aufsichtsrat an die Öffentlichkeit gelangt war. Dadurch sei „erhebliche Unruhe im Betrieb entstanden.“So habe der Affinerie-Vorstand nicht nur auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung Rede und Antwort stehen, sondern vor Spruchreife auch zur Mini-Bilanzpressekonferenz laden müssen.
Nach Angaben Marnettes blickt die Norddeutsche Affinerie auf eine überaus erfolgreiche Bilanz. In diesem Geschäftsjahr erzielte die modernste Kupferhütte Europas einen Gewinn von 100 Millionen Mark. Durch Investitionen von 700 Millionen Mark – davon 200 Millionen Mark für Umweltschutz –, sei es trotz Kostensenkung und Abbau von 500 Arbeitsplätzen gelungen, die Kupferproduktion um 40 Prozent zu steigern.
Das Unternehmenskonzept "Vision NA 2000“setzt daher weiterhin auf eine Produktionssteigerung in den Kernbereichen. Marnette: „Irgendwann ist man mit der Kostensenkung am Ende.“Dennoch würden die Anteilseigener aus Übersee genau prüfen, „ob Investionen am Standort Hamburg wirtschaftlich sind", gerade auch vor dem Hintergrund des neuen rot-grünen Senats. Deshalb käme die Affinerie um eine weitere Kostenreduzierung nicht gänzlich herum.
So sollen rechnerisch 380 Arbeitsplätze entfallen, 130 davon durch die Nichtbesetzung freiwerdender Stellen. 200 Jobs der Abteilungen Wäsche, Küche und Transport sollen dem „Ourtsourcing“zum Opfer fallen, die Arbeitsplätze aber in eigenen Dienstleistungs-GmbHs erhalten bleiben. 50 Arbeitern werde wohl „betriebsbedingt“gekündigt. Doch das seien, so Marnette, „alles nur vorläufige Zahlen“.
Der NA-Boß hofft, daß die auf zwei Jahre befristete Galgenfrist für die defizitäre Rohhütte Nord mit 194 Arbeitsplätzen ohne Folgen verstreicht, weil inzwischen ein „Ergebnisverbesserungsprogramm“für den „Nischenbereich" erarbeitet worden sei. Dieses Werk verfügt über einen hochmodernen Elektro-Ofen, der erst 1991 als weltweit umweltfreundlichste Anlage in Betrieb genommen wurde. Die Affinerie war zu dieser Maßnahme der Arsen-Ausstoßreduzierung gezwungen worden, nachdem die taz-hamburg Anfang der achtziger Jahre aufgedeckt hatte, daß sie für die Arsenverseuchung des Hamburger Osten verantwortlich war.
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