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Am Ende ein Trauerspiel

Das deutsche Team scheitert im Halbfinale der Handball-WM an Norwegen. Zwei dänische Fans erstochen  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Bis in der Halbzeit des WM- Halbfinales zwischen Dänemark und Rußland ein 48jähriger Berliner ein Messer zückte und zwei dänische Fans erstach, war die Welt des Deutschen Handball-Bundes (DHB) in Ordnung wie schon lange nicht mehr. Nach dem schwachen Abschneiden beider Teams bei den Olympischen Spielen in Atlanta und dem Tiefpunkt der verpaßten Qualifikation der Männer für die WM letztes Jahr in Japan hatten die geschickte Inszenierung der Frauen-Weltmeisterschaft im eigenen Land und das Auftreten der deutschen Handballerinnen für einen gelinden Boom gesorgt. Daran änderte auch das Ausscheiden im Halbfinale durch ein 23:25 gegen Norwegen nichts.

Bundestrainer Ekke Hoffmann schimpfte zwar über die „hundsmiserable Wurfausbeute“ bei der Niederlage gegen die eindeutig besseren Skandinavierinnen und beklagte, daß „wesentliche taktische Anweisungen“ nicht befolgt worden seien, zeigte sich aber ansonsten „zufrieden“ mit dem Abschneiden bei dieser WM. „Wir haben mit attraktivem Handball das Halbfinale erreicht“, sagte Hoffmann, das sei mehr, als zuvor erwartet. Zudem habe das Team „Ausstrahlung“ besessen, und wenn dies alles wegen einer Niederlage zusammenbräche, „wäre das traurig“.

„Ausstrahlung“ ist wohl Hoffmanns euphemistische Beschreibung des neuen Marketingkonzepts. Die Handballerinnen führten eindrücklich vor, daß es in Zeiten journalistischer Verflachung nach wie vor funktioniert, mittels recht biederer, erotisch angehauchter Fotos weit mehr Aufmerksamkeit zu erheischen als mit Sprungwürfen und Siegen. Durch ihre Art, Handball zu spielen, welche die Zuschauer in Sindelfingen und Hannover zu wahren Ovationen animierte, gelang es den Handballerinnen immerhin, dieses Interesse sportlich zu unterfüttern. Daß solches nicht unbedingt eine neu entfachte Euphorie für den Handballsport an sich bedeutet, zeigte die von ausländischen Journalisten beklagte ausschließliche Konzentration der hiesigen Medien auf das deutsche Team.

Dennoch hatte es schon in der Vorrunde allenthalben wohlgefüllte Hallen gegeben, was an den in Massen angereisten Fans aus den Handball-Hochburgen Norwegen und Dänemark lag, aber auch daran, daß der DHB mit Bedacht Spielorte gewählt hatte, die für Handball empfänglich sind und in denen sonst, was attraktiven Spitzensport betrifft, wenig los ist: Sindelfingen, Rotenburg, Saarbrücken, Neubrandenburg, Hannover, Hamburg. Der Höhepunkt sollte ein rauschendes zweitägiges Handballfestival vor jeweils 7.000 Zuschauern in der Berliner Max- Schmeling-Halle werden.

Auch hier lief zunächst alles bestens. Einen Tag vorher konnte der DHB mit der Firma Nike nicht nur einen hochkarätigen neuen Sponsor präsentieren, den er anderen Verbänden vor der Nase weggeschnappt hatte, sondern auch ein schillerndes, modernes Konzept für die Zukunft. „Wir sind uns einig, daß es Handlungsbedarf gibt“, wagte der Vertreter von Nike eine behutsame Bewertung der bisherigen Aktivitäten des Verbands. In Zusammenarbeit mit dem Sportartikelhersteller soll das etwas verschnarchte Image des Handballs korrigiert werden, Stichworte sind dabei: Beachhandball, Fun- Events, Crossover-Veranstaltungen mit Nike-Athleten aus anderen Sportarten. Ein Typ wie der tätowierte Sven Kretzschmar, bisher eher kuriose Randfigur, rutscht plötzlich ins Zentrum der Werbestrategie und durfte auf dem Podium den neuen Sponsor und die rosige Zukunft preisen.

Die Enttäuschung des deutschen Ausscheidens gegen Norwegen konnte unter diesen Umständen verschmerzt werden. Immerhin ebnete es den Weg für ein Endspiel der Norwegerinnen gegen den WM-Favoriten Dänemark, der bereits uneinholbar gegen die Russinnen in Führung lag, als bei Halbzeit die schöne Welt des Handballs abrupt zusammenbrach. Ein betrunkener, wegen Körperverletzung vorbestrafter Mann geriet in eine Auseinandersetzung mit dänischen Anhängern, zog ein Messer und verletzte zwei Dänen tödlich. Nach einigem Zaudern entschied man sich zwar, das Finale stattfinden zu lassen, doch aus dem skandinavischen Volksfest war ein Trauerspiel geworden.

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