■ American Pie: Geier schweben über den Dolphins
We were singing bye-bye, Miss American Pie
In drei Jahren, hatte Jimmy Johnson bei seinem Amtsantritt 1996 versprochen, würde er die Miami Dolphins in die Super Bowl des American Football führen. Heute bestreitet der 54jährige, der mit den Dallas Cowboys zweimal die Super Bowl gewann, jemals irgendeine Voraussage gemacht zu haben. Höchstens, „daß wir im dritten Jahr unser bestes Team haben werden“.
Dieses Jahr hatten es die Dolphins jedenfalls nicht. Mit 3:17 schieden sie am letzten Samstag gegen die New England Patriots aus. Verantwortlich dafür war vor allem die schwache Offense. Das Laufspiel war das zweitschlechteste der Liga, die Wide Receiver ließen die Bälle fallen, und Quarterback Dan Marino war fast schutzlos den gegnerischen Verteidigern ausgeliefert. Viermal wurde er von den Patriots zu Boden gerissen.
Ob das sein letztes Spiel gewesen sei, wurde Marino gefragt, die Antwort war ein klares „No“. Auch Johnson erklärte, weiter auf den 36jährigen vertrauen zu wollen. Marino brachte mehr Pässe an den Mann, bereitete mehr Touchdowns und Raumgewinne vor als jeder andere Quarterback der NFL, dennoch erreichte er in seiner 15jährigen Karriere bei den Dolphins nur einmal, in seinem zweiten Jahr, die Super Bowl – und verlor. Kaum jemand gibt ihm die Schuld am enttäuschenden Abschneiden der Dolphins. Kollegen wie Drew Bledsoe haben sogar Mitleid mit Marino, weil er sowenig Unterstützung von seinem Team erhält: „Das ist für jeden Quarterback hart, sogar für einen Typen wie Dan, der eine Art Legende ist.“
Jimmy Johnson ist ehrlich genug, sich selbst von der Kritik nicht auszunehmen. „Ich habe es versaut“, sagt der Coach, sein größter Fehler sei es gewesen, das Offensivsystem des Vorgängers Don Shula übernommen zu haben, obwohl er damit nicht glücklich war: „Am Tag 1 hätte ich eingreifen sollen.“ Das will er jetzt nachholen. „Es ist meine Verantwortlichkeit, das nötige Talent aufs Feld zu bekommen und die Problemzonen zu korrigieren“, hat Johnson entdeckt.
Zunächst will er sich aber zurückziehen, „um nicht mit all den Geiern in Berührung zu kommen, die gerade herumfliegen.“ Ebenfalls entdeckt hat er nämlich, daß es „ein Zeichen der Zeit ist, jeden niederzumachen, der versucht, erfolgreich zu sein. Die Leute fühlen sich dann besser in ihrem trivialen kleinen Leben.“ Matti Lieske
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