: Das Wissen vom langen Leben
■ Nischen in der westlichen Welt: Ayurveda, die alte indische Weisheit , gibt es nicht nur in Maharishi-Zentren
Sie haben trockenes, feines Haar, bewegen sich gern schnell und sind bei Streß leicht erregbar? Alles deutet auf einen „Vata-Typ“hin. Sie haben rötliches Haar und sind mit 45 schon etwas ergraut, einen scharfen Intellekt, Abneigung gegen heißes Wasser? Klare Sache: „Pitta-Typ“. Kräftig-fettiges Haar, schwerer Körperbau und eher stabilie Stimmung deutet auf einen „Kapha-Typ“. Solche Typen sind natürlich das stilisierte Extrakt der komplexen Wirklichkeit, es kommt auf das „dynamische Gleichgewicht“und die „wechselseitigen Abhängigkeit“der drei genannten Doshas an. Wer beides durch die entsprechende geistige Haltung und die richtige Ernährung für sich erreichen kann, darf sich auf ein langes, gesundes Leben freuen.
So ähnlich wird es in den diversen Maharishi-Ayurveda-Zentren gelehrt, die in Deutschland existieren, die Bewegung der „Transzendentalen Meditation“hat sich vor allem zur Aufgabe gemacht, die ayurvedische Lehre ihres Meisters Maharishi in der westlichen Kultur zu verbreiten. Ayurveda – gesund ernähren, Ayurveda bei Kopfschmerzen und Migräne, Ayurveda für jeden Tag, Ayurveda - Gesundsein aus eigener Kraft, Ayurveda ist ein Vademekum für oder gegen (fast) alles.
Eigentlich ist Ayurveda aber keine westliche Eso-Mode, sondern eine uralte indische Philosophie, die seelische Zustände mit Stoffen in Verbindung bringt. Mit „Wissen vom langen Leben“ist Ayurveda zu übersetzen, ein kompliziertes tradionelles Welt- und Menschenbild, das im medizinischen Sektor in Indien und Sri Lanka dominiert. Es gibt sogar Kliniken, in denen der Patient zwischen der ayurvedischen Medizin, der Homöopathie und der westlichen Behandlungsart wählen kann. In dieser Konkurrenz kann sich Ayurveda behaupten, und auch für westlich-kritische Augen gibt es überraschende Heil-Erfolge, die sich naturwissenschaftlich genauso wenig erklären lassen wie die homöopathischen Erfolge. Immer wieder ist es eine Kombination aus Ernährungsratschlägen, Massagetechniken, Öl- und Wärmeanwendungen und Kräuterdampfbädern, die je nach „Typ“und je nach Krankheitsbild empfohlen werden – „Reinigung“ist eine damit verbundene Vorstellung.
In Deutschland ist aber der „ayurvedische“Ansatz in den Kliniken noch weitgehend unbekannt und auf die esoterische oder die alternative Szene beschränkt. Bei der AOK ist Ayurveda kein Begriff – Leistungsanträge werden gar nicht gestellt, würden aber selbstverständlich abgelehnt. Bei der Handelskrankenkasse hat es zwar einmal im Rahmen der Gesundheitsvorsorge eine Öffnung gegenüber traditionellen indischen Heilverfahren gegeben, speziell Ayurveda war aber damals nicht dabei. Inzwischen sind auch die zarten Öffnungsversuche den Einsparzwängen, zu denen die teure Apparatemedizin zwingt, geopfert worden.
Bei den Anhängern des Guru Maharishi zahlt man so den IKnappheits- und den deologie-Effekt mit, für 1.600 Mark wird bei „Maharishi“in Hamburg eine dreitägige „Reinigungskur“angeboten, die zweieinhalbstündige Öl-Massage kostet schlappe 295 Mark.
Wer es unideologischer erfahren will, muß also einen weiten Weg in Kauf nehmen. So hat sich die „Villa Schaafhausen“in Bad Honnef neben der allgemeinen Ernährungs-Weiterbildung auf Ayurveda spezialisiert. Die Preise sind hier um 30 Prozent niedriger. Ein „Verwöhntag“mit Ayurveda-Massage inclusive wird schon für 200 Mark – auch als Geschenk-Gutschein – angeboten. „Ich finde es nicht gut, wenn man über einen Medizin-Zweig Ideologie vermittelt“, sagt der Mitgründer des Weiterbildungszentrums „Villa Schaafhausen“in schlichten Worten. Er selbst ist überzeugter Katholik und CDU-Mitglied, die „Villa“bietet neben der Ernährungs-Beratung und Ayurveda-Medizin auch Kurse über „Erfülltes Leben – erfülltes Sterben“und eher „katholisch“anmutende familientherapeutische Workshops an. Denn „Familie“kommt in der strengen ayurvedischen Theorie nicht vor – da ist jeder Mensch für sich und alleingelassen beim Streben nach dem inneren Gleichgewicht. K.W.
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