: Alte Sünden durchgesickert
Gift im Grundwasser: In Halstenbek ist das Trinkwasser durch Pestizide belastet, die seit zehn Jahren verboten sind ■ Von Ilonka Boltze
„Mit vergiftetem Wasser entziehen wir uns selbst die Lebensgrundlage“, wütet Doris Prange aus Halstenbek. Wenn die 59jährige Trinkwasser braucht, fährt sie zu Bekannten nach Hamburg und deckt sich dort für die Woche ein. Seit den achtziger Jahren werden in dem Ort vor Hamburgs Toren immer wieder hohe Pestizidwerte im Wasser gemessen. Der Negativrekord: Im vergangenen Dezember wurde der erlaubte Grenzwert sogar um das Fünffache überschritten. Mit einer Ausnahmegenehmigung dürfen die Brunnen nur noch bis zum 1. Juli genutzt werden.
Das im Wasser aufgefundene Dichlorpropan ist Bestandteil eines Pflanzenschutzmittels, das vor allem von Baumschulen verwendet wurde. Nach Ansicht des Kieler Toxikologen Hermann Kruse steht die chemische Verbindung unter Krebsverdacht. Seit zehn Jahren ist das Pestizid verboten. Halstenbek leidet heute unter den Langzeitfolgen: Das Dichlorpropan sickerte durch 60 Meter Erdreich ins Grundwasser. Ende letzten Jahres wurden dort 0,57 Mikrogramm pro Liter gemessen, der Grenzwert beträgt 0,1 Mikrogramm.
Für Wilfried Kroh vom Fachdienst Umwelt des Kreises Pinneberg kam das „völlig unvorhersehbar“, obwohl das Gift bereits 1991 erstmals im Grundwasser nachgewiesen wurde. Nach jahrelangen Bürgerprotesten ergreift der Kreis nun erstmals Notmaßnahmen: Ein Antrag auf ein Trinkwasserschutzgebiet wurde gestellt. Darüberhinaus soll ein Aktivkohlefilter das Gift aus dem Wasser holen. Bis zur Inbetriebnahme des Filters dauert es voraussichtlich noch Monate. Solange plädiert Wilfried Kroh fürs Weitertrinken. „Völlig unbedenklich“, versuchte er am Dienstag abend auf einer Informationsveranstaltung in Halstenbek die aufgebrachten BürgerInnen zu beschwichtigen.
Helge Margelowsky von der Uetersener Ortsgruppe des BUND hält den Filter jedoch nur für eine „Kurzzeitlösung“. Seine Befürchtung ist, daß in Zukunft noch mehr Pestizidablagerungen gefunden werden. „Das ist eine Zeitbombe, deren Folgen wir jetzt noch nicht absehen können.“Immer wieder gerieten die rund 270 Baumschulen im Kreis Pinneberg in den lezten Jahren in Verdacht, die Quelle der Verschmutzung zu sein. Ein Gutachten im Auftrag des Kreises konnte jedoch keine Verursacher ermitteln.
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