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Neue Heimat auf dem Spülfeld

■ Finkenwerder: Altlasten durch Bauarbeiten freigesetzt? AnwohnerInnen klagen über Kopfschmerzen und pelzige Lippen Von Heike Haarhoff

Werden durch die Bauarbeiten am Uhlenhoffweg in Finkenwerder gesundheitsbeeinträchtigende Giftstoffe freigesetzt? Seit in der vorigen Woche mit „Gründungsbohrungen“ für 180 neue Wohnungen auf dem Grundstück nahe des Finkenwerder Friedhofs begonnen wurde, klagen AnwohnerInnen über Reizungen der Schleimhäute, Atemnot, Kratzen im Hals, Kopfschmerzen und „pelzige Lippen“: „Wenn Staub von der Baustelle herüber weht, schmeckt das richtig metallhaltig“, sagt eine Anwohnerin. Sie fürchtet, daß mit Cadmium, Zink, Quecksilber und anderen Schwermetallen belastetes Erdreich durch die Bauarbeiten aufgewirbelt wird und die Gesundheit der Nachbarn schädigt: „Das Grundstück ist ein altes Spülfeld mit total verseuchtem Boden.“

Auf dem ehemals städtischen Gelände errichtet die Baugenossenschaft Finkenwerder-Hoffnung bis 1997 ein Kindertagesheim und 180 Sozialwohnungen. Dazu müssen die MieterInnen aus den „Behelfsheimen“ weichen: „Viele konnten noch nicht umziehen, weil kein Ersatzwohnraum gefunden wurde“, sagt eine Betroffene. Und so lange „sind wir jetzt den Giften ausgesetzt.“ Dringenden Untersuchungsbedarf sieht GAL-Bezirksabgeordnete Helmke Kaufner: „Die Fläche ist mit Material aus dem Hafen aufgespült worden und damit eine Altlast.“ Bodenproben hätten gezeigt, daß schädliche Gase bereits in ein bis zwei Meter Tiefe anzutreffen seien. Helmke Kaufner bezweifelt, daß die entsprechenden Auflagen bei der Bauausführung beachtet und die Gesundheit der Anlieger „keineswegs gefährdet ist“, wie Uwe Hansen, Ortsamtsleiter in Finkenwerder, betont: Das Gelände am Uhlenhoffweg gelte zwar als Verdachtsfläche, „aber es wurde eine Baugenehmigung erteilt, die bestimmte Auflagen enthält.“ Die Einhaltung sei Sache des Bauträgers. Ihm seien noch keine Klagen über Emissionen oder Gasaustritte zu Ohren gekommen. „Wenn der Boden hochgradig belastet wäre, würden wir hier ja nicht bauen“, beschwichtigt Hansen. Eine Abtragung sei unnötig.

Bodenuntersuchungen, die im Vorfeld der Bauarbeiten durchgeführt wurden, „haben nichts Bemerkenswertes hervorgebracht“, sagt Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig. Deponiegase hätten unterhalb der Nachweisgrenze gelegen; allerdings seien überhöhte Kohlendioxid-Werte festgestellt worden. Hierzu seien Auflagen zu gasdichte Hausanschlüsse und -schächten erteilt worden. Das Grundstück werde als „Altlastverdachtsfläche“ geführt, weil es zwischen 1914 und 1920 aufgespült wurde. „Zu der Zeit war der Elbschlick aber lange nicht so belastet wie heute“, glaubt Strom- und Hafenbau-Sprecherin Beate Schlüter.

Doch die Skepsis der AnwohnerInnen wird ernst genommen: Morgen treffen sich VertreterInnen von Behörde, Ortsamt und Bauträger zu einer Begehung vor Ort.

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