: Auch das Volk soll Gesetze beschließen dürfen
■ Bündnisgrüne wollen Volksabstimmungen einführen. Tabus: Grundrechte und Todesstrafe
Bonn (taz) – Die Fraktion der Bündnisgrünen hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, der auch auf Bundesebene Volksabstimmungen möglich machen würde. „Es genügt nicht, wenn die Bürgerinnen und Bürger alle vier Jahre ihre Stimme im doppelten Wortsinn abgeben“, sagte Gerald Häfner, Rechtsexperte der Grünen.
Im Augenblick werde die Bevölkerung zum Steuerzahler degradiert, ohne in wichtigen Sachfragen mitentscheiden zu dürfen. Das Modell der Grünen hat drei Stufen: Volksantrag, Volksbegehren, Volksabstimmung. 100.000 Wahlberechtigte können einen Volksantrag in den Bundestag einbringen, über den das Parlament innerhalb von sechs Monaten entscheiden muß.
Lehnt der Bundestag diesen Antrag ab, sind 1,5 Millionen Wahlberechtigte nötig, um dennoch ein Volksbegehren einzuleiten. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann, ob das Volksbegehren verfassungskonform ist.
Erst im Falle eines Ja aus Karlsruhe käme es dann zur eigentlichen Volksabstimmung: Alle Wahlberechtigten könnten mit einfacher Mehrheit Gesetze beschließen. Bei Grundgesetzänderungen ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Ein Abstimmungsverfahren durch die BürgerInnen solle insgesamt zwei Jahre dauern, erläuterte Häfner. Denn es dürfe keine Abstimmungen aus dem Bauch heraus geben.
Die Grünen scheinen dem Volkswillen allerdings nicht ganz zu trauen. Ihr Antrag enthält die Einschränkung, daß die Grundrechte nicht angetastet und die Todesstrafe nicht eingeführt werden darf. Häfner distanzierte sich von diesen Bedenken. Er kenne kein Beispiel, wo der Volksentscheid als repressives Mittel mißbraucht worden sei. Bisher habe er sich überall als Innovationsinstrument erwiesen. In Bayern, wo es eine lange Tradition in direkter Demokratie gebe, habe man per Volksbegehren ein umweltfreundliches Müllkonzept eingeführt.
Die Grünen berufen sich bei ihrer Initiative auf das Grundgesetz, wo es heißt: Alle Staatsgewalt wird „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt“. Tatsächlich aber hätten die Parteien alle staatliche Macht an sich gerissen. Daraus resultiere der „Leitsatz des frustrierten Bürgers: Man kann ohnehin nichts machen“. Dem aber wollen die Grünen die Gültigkeit entziehen. Ariel Hauptmeier
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